zenwechsel beginnt im Osten, wie in Ilsenburg, mit einer Säule. Zwi­schen den beiden östlichsten Stützen führen quer durch das Mittel­schiff zwei Stufen: Aber nicht nur an dieser Stelle sind Stufen­anlagen; diejenigen in der Vierung und im Chor liegen in Goslar an den gleichen Stellen wie in Ilsenburg. Die Stufenanlage in Ilsen­burg hat also nichts mit dem chorus minor der Hirsauer zu tun.

Die in Petershausen erscheinende Stufenerhöhung im östlichen Lang­hausjoch einer Säulenbasilika (die Stufen führen also von Säule zu Säule und bis zu den Seitenschiffmauern) hat Hecht 345 als chorus minor deuten wollen. Wir möchten jedoch annehmen, daß es sich, wie in Seckau, wo ebenfalls die Stufen von Säule zu Säule führen, allerdings in einem stützenwechselnden Bau, um einen erhöhten Platz für den Kreuzaltar gehandelt hat, wie Ginhart 346 sagt. Eine Abgrenzung des chorus minor allein durch Stufenerhöhung ist also abzulehnen.

Für die außerdeutschen Länder läßt sich die bauliche Bezeichnung des chorus minor nur in ganz wenigen Fällen nachweisen. Payerne, für das Gantner 347 einen chorus minor annimmt, gehört dem Aus­gang des elften Jahrhunderts an. Soweit uns bekannt ist, zeigen dann nur noch die Hallenkirchen zu Moirax und Chambon 348 als östlichste Langhausstützen andere Stützformen als im übrigen Schiff. Inwieweit damit ein chorus minor bezeichnet werden sollte und dies durch die andersartige Airsbildung der Stützen hervortritt, ist uns zu beantworten nicht möglich. Die beiden erwähnten Kirchen fallen in die Zeit gegen die Jahrhundertwende.

Der in den Quellen in den achtziger Jahren auftauchende chorus minor ist ein wichtiges Glied der Reformbauten. Ihn auch im Bau sicht­bar zu machen, unternimmt die deutsche Architektur in verschiedenster Weise. Die genialste Lösung steht am Anfang der Entwicklung, Hirsau PP bezeichnet nicht nur den chorus minor als solchen, sondern auch durch die Schwibbogenstellung, die Trennungslinie zwischen Mönchs­und Laienkirche. Um die Zäsur auch von außen her zu betonen, sind Türme auf dem letzten Langhausjoch geplant, die aber fallen gelassen werden als man sich zu Westtürmen entschloß. Diese Winkeltürme werden nicht aufgegeben, weil die Westtürme ihre Glocken aufnehmen (das übernimmt der Vierungsturm), sondern weil sie nicht mehr dem künstlerischen Gleichgewicht entsprechen. Der chorus minor nimmt nur das Mittelschiffjoch ein und trägt stets flache Decke: Die Decke des ihm zugeordneten Seitenschiffes ist ebenfalls flachgedeckt, soweit nicht Türme darauf zu stehen kommen. Der für die Mönchskirche charakteristische Pfeiler schließt sie gegen Westen ab. Der chorus minor, ein spezifisch reformischer Bestandteil einer Klosterkirche, be­weist uns stets für das Ende des 11. Jahrhunderts und das begin­nende 12. eine Zugehörigkeit zur Reform, für die spätere Zeit eine Übernahme der Sitten und Gebräuche von ihr.

Daß auch Bauten ohne eine architektonische Betonung einen chorus minor gehabt haben können, ist möglich. Für uns aber ist das nicht faßbar und deshalb nicht von Interesse. Mutmaßungen wären sinnlos.

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