Prüfung Hirsauer Eigenheiten und Gemeinsamkeiten
Unter dem Begriff der „Hirsauer Bauschule“ ist derart viel, oftmals Verschiedenes und teilweise sich Widersprechendes zusammengefaßt worden, daß erst alle Bauten einer genauen Prüfung unterzogen werden müssen, wenn man die Frage klären will, ob und in welchem Umfange eine solche Bauschule bestanden hat. Dabei werden wir auf Publikationen verzichten, die sich nur summarisch mit der Baukunst des ausgehenden 11. und der des 12. Jahrhunderts beschäftigen und auch für ihre Behauptungen keine Beweise bringen, um nicht ins Uferlose zu geraten. Der Begriff der „Hirsauer Bauschule“ ist schon so allgemein geworden, daß oftmals unbedenklich ein Bau des 12. Jahrhunderts ihr zugesprochen wird, der niemals mit Hirsau in Zusammenhang gebracht worden wäre, wenn der Begriff nicht vorhanden wäre.
Die Kirchen folgender Klöster werden einer genaueren Untersuchung unterzogen werden:
1. deren Konvente mit Hirsauer Mönchen besiedelt wurden 75 ,
2. die durch familiäre oder geistige Beziehungen mit Hirsau in Verbindung standen 76 ,
3. die von St. Blasien reformiert oder besiedelt wurden 77 ,
4. die das sog. „Hirsauer Schema“ aufweisen, d. h. den Mönchschor oder den Staffelchor,
5. die sog. „Hirsauer Eigenheiten“ aufweisen, wie z. B. Zier- und Schmuckformen („Hirsauer Nase“, Ärkadenrahmung usf.).
Das sind etwa die Punkte, auf denen Baers Buch 78 basiert. Es erscheint zweckmäßig, diesen Gang nachzugehen, um Richtiges von Falschem zu scheiden.
Wir werden bei der Prüfung der Bauten eine sehr schematische Methode anwenden, indem wir den Bau aufgliedern und die einzelnen Teile jeweils bei den in Frage kommenden Bauten behandeln. So ergeben sich landschaftliche und chronologische Querschnitte, die eine Einordnung außerordentlich erleichtern. Wir werden bei der Beschreibung der Bauten von Ost nach West gehen und am Ende den ganzen Bau betreffende Komplexe behandeln.
Es muß betont werden, daß wir es hinsichtlich der Gesamtgruppe der Bauten mit einem Torso zu tun haben. Die Bauten zeigen größtenteils nicht mehr den ursprünglichen Zustand, teilweise sind sie völlig zerstört und selbst einer Rekonstruktion nicht mehr zugänglich, teilweise müssen wir mit mehr oder weniger sicheren Rekonstruktionen arbeiten. Deswegen werden lieber öfter Fragezeichen zu setzen sein, als voreilig Schlüsse aus Rekonstruktionen oder Überlieferungen zu ziehen.
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