Zudem hat G. v. Lücken nachgewiesen 20 , daß Motive, die bisher stets als burgundisch oder cluniazensisch bezeichnet wurden, nur bedingt oder gar nicht als solche zu werten sind. Die wichtigsten Punkte mögen hier erwähnt werden.
Der Staffelchor ist bereits in St. Philibert de Grandlieu an der unteren Loire vor Cluny anzutreffen. Zudem zeigt auch die Kirche von Rooella di Squilace in Unteritalien 21 eine ganz ähnliche Disposition. Daß der Staffelchor auch in Deutschland vor Hirsau ohne Vermittlung Clunys auftritt, hat Verbeek 22 in umfassender Weise nachgewiesen. Der Staffelchor wird zwar von den Benediktinern vornehmlich verwandt, ist aber nicht ihr Privileg und keine cluniazensische Erfindung. Die Ablehnung der Krypta, die Dehio und v. Bezold 23 in Hirsau auf burgundische Einflüsse zurückführten, ist in Burgund keineswegs so häufig. Von Lücken macht eine Reihe burgundischer Bauten namhaft, welche Krypten besitzen. Seiner Meinung nach wird ihr Erscheinen im späteren Mittelalter überhaupt seltener. Das Verschwinden der Krypta auf cluniazensischen Einfluß zurückzuführen, ist deswegen nicht möglich, weil nach v. Lücken dort die Krypta sogar häufig vertreten war. wie seine Aufstellung cluniazensischer Bauten beweist. Den Säulenbau aus dem burgundischen Kunstkreise herzuleiten, ist schon deswegen nicht angängig, da nach v. Lücken unter den erhaltenen Denkmälern nur ein einziger Säulenbau, die kleine Kirche zu St. Hyppolite, genannt werden kann. Sonst ist nur der in verschiedenster Weise gebildete Pfeiler vertretet.
All diese Momente zeigen, daß ein baulicher Einfluß des zweiten Baues in Cluny auf Hirsau nicht vorhanden ist. Auch geht von Cluny II selbst keine Bauschule aus, wie Frankl 24 nachweist. Wir werden also versuchen müssen, die Klosterkirche in Hirsau aus anderen Gegebenheiten zu erklären.
Das starke geistige Band, das Cluny und Hirsau miteinander verband, wird durch die bauliche Unabhängigkeit nicht im mindesten berührt.
Die Quellen
Wir werden bei den Untersuchungen oftmals auf die Quellen zurückgreifen müssen, die sich für unseren Fragenkomplex darbieten. An erster Stelle ist hier der codex hirsaugiensis 25 zu nennen, in dem sich eine Liste der Äbte und Bischöfe befindet, „qui de nostro conventu et monasterio ad loci dati sunt“. Leider sind den Namen der Mönche keine Jahreszahlen beigefügt, sodaß nur auf dem Umwege über die Quellen des jeweiligen Klosters, zu welchem der Abt entsandt wurde, eine Zeitbestimmung gewonnen werden kann. Da von zahlreichen Klöstern solche Quellen verlorengegangen oder aber überhaupt nicht vorhanden gewesen sind, müssen die Angaben des Codex undatiert bleiben. Durch diese Liste sind uns aber wenigstens die Klöster bekannt, die durch Hirsau reformiert worden sind.