Auch Paulinzella erhielt Westtürme, die später als der Ostteil sind. Wir haben also hier den gleichen Fall wie in Hirsau.
Die Winkeltürme erscheinen an vier uns erhaltenen Kirchen: Hamers- leben, davon abhängig Riechenberg und Halberstadt-Liebfrauenkirche, und Talbürgel, das Verwandtschaft mit Paulinzella aufweist. Ist es nun nicht bezeichnend, daß Hamersleben und Talbürgel keine Westtürme besitzen, Halberstadt und Riechenberg aber nur die „sächsische Turmfront“, jenen Westabschluß, aus dem die Türme nicht frei herausragen, sondern mit dem Westbau eine feste Mauermasse bilden? Aber nicht nur diese Tatsachen können zur Begründung unserer These herangezogen werden. Die beiden Bauten, die wie Hirsau PP auch den Schwibbogen als Trennungsglied zwischen Mönchs- und Laienkirche aufweisen, St. Paul i. L. und St. Michael-Bamberg, haben Westtürme. In St. Paul i. L. sind wohl die Westtürme, wie auch die Anlage sonst von St. A. übernommen worden, die Winkeltürme sind deshalb also überhaupt nicht geplant gewesen, da Westtürme von Anfang an für den Bau vorgesehen waren. Nach Mitteilung von Herrn Prof. Mager wurde in St. Michael zu Bamberg der Plan für Westwinkeltürme noch während des Baues fallengelassen. Ansatzspuren der Türme sind noch heute im Dachgeschoß der Seitenschiffe sichtbar. Inwieweit schon die Westtürme vorgebildet waren, läßt sich nicht mehr ausmachen, da die heutigen nach 1610 errichtet wurden. Romanische Westtürme zeigt eine Abbildung um das Jahr 1480 325 .
Wir sehen also, daß dem Unterlassen der Westwinkeltürme eine Konsequenz anhaftet, die sich nicht leugnen läßt. Fassen wir nochmals zusammen:
Die Winkeltürme sollen die Scheidung von Laien- und Mönchskirche außen, wie die Schwibbögen innen betonen. Sind aber Türme schon an anderer Stelle vorhanden, so wird von ihrem Bau Abstand genommen. Es könnte hier die Meinung entstehen, daß die Westtürme die Funktion der fallengelassenen Westwinkeltürme übernahmen. Das ist aber nicht der Fall. Die für den Gottesdienst notwendigen Glocken wurden im Vierungsturm untergebracht, wenn keine Westwinkel- oder Osttürme vorhanden waren. Es ist wichtig festzustellen, daß das eine das andere ausschließt, da Dehio 326 behauptet, zum vollen „Hirsauer Schema“ gehörten vier Türme. Wir müßten dann nämlich annehmen, daß kein Bau der romanischen Epoche überhaupt das volle „Hirsauer Schema“ erreicht hätte, wollte man nicht die singulär in ihrer Art dastehende Liebfrauenkirche zu Halberstadt mit ihren erst im Anfang des 13. Jahrhunderts hochgeführten Westtürmen als Erfüllung des Schemas an- sehen. Die Turmgruppierung in Halberstadt hat heute deswegen ihre harmonische Erscheinung, weil die Westtürme doch noch das alte Prinzip der „sächsischen Turmfront“, wenn auch in Abwandlung, bewahren, die Westwinkeltürme aber, wohl in Erkenntnis der Tatsache, daß sie sonst erdrückt würden, im Ausgang des 13. Jahrhunderts hohe, spitze Helme erhielten.
Der chorus minor hat nun im Laufe der Zeit und unter den jeweiligen Baumeistern verschiedene Formungen erhalten. Der Tgp von PP, Abtrennung durch Schwibbogen auf Pfeilern in einer Säulenbasilika,
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