Die Pflanzen- und Tierwelt
Der "Verfasser von „Das Wildseemoor bei Kaltenbronn“ Herr Dr. Karl Müller, kommt in seiner Uebersicht über die Flora des Ilochseemoors zu dem Ergebnis, daß sieh das Hochmoor durch Ar- tenarmnt. dagegen durch Individiienreichtum auszeichnet. Diese Erscheinung trifft mit gewissen Einschränkungen auf unsre ganze heimische Pflanzenwelt zu. Wenn wir unsre Wälder durchstreifen, fällt uns auf. daß die Natur einzelne Arten von Pflanzen mit verschwenderischer Fülle ausgestreut hat. Abgesehen von chm verschiedenen Moosarten ist es vor allem die Heidelbeere, die fast allgegenwärtig ist. Die lederartigen, kleinen Blätter, die den Vereinnstungsprozefi sehr langsam sich vollziehen lassen, schützen die Pflanze vor Austrocknung. Andererseits enthält der Moosteppich immer eine Wasserreserve, die er im Bediirfnisfall an den Waldboden abgibt. Ende April und Anfang Mai erschließen sich an den zarten Zweiglein die rötlich angehauchten, honigreichen Blütenglöckchen. Schon Ende Juni bietet das bescheidene Pflänzchen seine Gabe den Beerenleuten. Der Wald wimmelt von Bee- rensuchern. denn für Frauen und Kinder ist Gelegenheit zu einem lohnenden Nebenerwerb geboten. Nach vorsichtigen Schätzungen wurden in unseren beiden Gemeinden im Jahr 192k welches einen reichen Ertrag zu verzeichnen hatte, etwa 300 Doppelzentner Beeren geerntet, ln den Jahren 1926 und 1927 wurden durch starke Maifröste die Aussichten auf eine reiche; Ernte nahezu restlos vernichtet. Für die Jugend hat die „Heidelbeerzeit“ ganz besondere Reize, schon deswegen, weil durch die Beerenferien die Schulsorgen für etwa 3 Wochen wegfallen.
ln Gesellschaft der Heidelbeere finden wir häufig, namentlich auf Kahlflächen und in den Moorwäldern des llohloh- und Wildseegebiets. die Preiselbeere. Das zierliche Sträuchlein unterscheidet sich von der Heidelbeere dadurch, daß es auch im Winter sein Blattkleid behält. Im Mai schauen die schneeweißen Blütenglöckchen verstohlen aus dem I leidegesti iipp. Ende Juli reifen die glühendroten Beerenträubchen. In der Heilkunde wird der Sirup bei katarrhalischen Erscheinungen mit Erfolg angewendet, während die getrockneten Heidelbeeren bei Ruhrerkrankungen und Diarrhöen ein unschätzbares Mittel sind.
Durch seinen lndividuenreichtum fällt ferner das Heidekrau t, auch Erika oder Heideglöckchen genannt, auf. Die winzigen Blättchen und die holzigen Stengel geben ihm ganz den Charakter einer Trockenlandpfianze. Wo die Wachstumsbedingungen für Ileidelbeer- und Preiselbeersträucher zu dürftig sind, breitet es sich noch aus und überzieht nackte Felsen und „BrundpUitzc“ mit einem grünen Flor — im Talgrund. auf sturmumbrauster Höhe und im schwankenden Moorboden. Wenn die Anzeichen des großen Sterbens in der Natur bereits auftreten. prangt die ..Heide“ in überreicher Bliitenfiille. Ein „rosenroter Schimmer“ legt sich über die kahlen Waldflächen.
„Die Kräuter bliihn, der Ileideduft steigt in die blaue Sommerluft“.
Dazwischen tönt das Schwärmen und Summen des emsigen Insektenvolks. Der Imker reibt sich stillvergnügt die Hände — er träumt von seinen Honigernten.
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