22 Blick vom Eulenturm auf Marienkapelle und Kreuzgang

Die Aufnahme vermittelt einen Begriff von der "Weite, aber auch der Anmut des Kreuz­ganges. Links zieht sich die langgestreckte Fläche der ehemaligen Peter- und Paulskirche hin, die mit 97 Metern Länge (= 4 mal Breite) eine für Deutschland bis dahin unbekannte Ausdehnung aufwies. Im .Vordergrund steht die Marienkapelle, die als einziges Bauwerk des Kloster- und Schloßkomplexes die Zerstörung 1692 überstanden hat. Mehrere latei­nische Inschriften unterrichten über Grundsteinlegung (Im Jahr 1508 unter dem ehrwür­digen Herrn Abt Johann wurde am 26. Juni der Grund zu diesem Tempel gelegt durch den Steinhauermeister Martin aus Urach), Baubeginn (Zu Ehren des allmächtigen Gottes, der heiligen Jungfrau Maria, der heiligen Apostel Petrus und Paulus errichtete Abt Johann aus Leonberg dieses Gebäude von Grund aus im Jahre 1509, 9. April) und über die Weihe der Kapelle am 24. Juli 1516. Martin (Hillenbrant?) aus Urach wurde wahrscheinlich in der Rheinpfalz ausgebildet, baute zuerst in der Umgebung von Ludwigsburg, bevor er sich seinem großen Werk, der Hirsauer Marienkapelle, zuwandte. Man schreibt ihm u. a. auch das Heilige Grab und einen Taufstein in der Reutlinger Marienkirche zu. Wichtig sind zwei weitere Gedenksteine, die Erlafrid und Aurelius darstellen, und deren Umschriften die Ereignisse des Jahres 830 kurz andeuten. Als Kapitelle dies ist der Marienkapelle höchster Schmuck sind zwölf Brustbilder der Apostel angeordnet. Die Kirche selbst dient heute dem evangelischen Gottesdienst. Vor dem Altar liegt der Erbauer, Abt Johann II., be­graben. Der darüber errichtete ehemalige Bibliothekssaal ist heute als Museum von Hirsau eingerichtet.

23 Ältestes romanisches Fenster im Kreuzgang

Wer den Kreuzgang abschreitet, kann immer wieder bezaubernde Ausblicke auf Ruine und Eulenturm gewinnen. Der Kreuzgang war ungewöhnlich lang: auf der West- und Ostseite 38, auf der Süd- und Nordseite 29 m. Der ursprüngliche Kreuzgang wurde bereits von Abt Wilhelm und seinen Nachfolgern erbaut. Wahrscheinlich mußte er laufend repariert werden. Die Äbte Bernhard und Blasius ließen den alten Kreuzgang niederreißen, Blasius den neuen gotischen errichten. Insgesamt waren vierzig Fenster vorhanden, die mit Glas­gemälden, deren Stoff der »Biblia pauperum« (Armenbibel, in der jeder Szene aus dem Leben Christi zwei entsprechende Motive aus dem Alten Testament gegenübergestellt wurden) entnommen war, einen besonderen Anziehungspunkt bildeten. Andreas Reichart schrieb 1610 darüber: »Auf vier Seiten 40 Fenster, da ein jedes der Breite nach in drei

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