war oder nicht) bedeutete das schwerste Unrecht, das einem Benediktinerkloster angetan werden konnte, ist der Abt doch »Dominus« und »Abbas«, Herr und Vater, aristokratischer, durch keine weltliche Macht absetzbarer Hirt seiner Herde. Der Ausbruch eines offenen Konfliktes war jetzt nicht mehr zu verhindern. Um sich den Händen seiner Gegner zu entziehen, floh Abt Friedrich. Im Exil, unweit von Heidel­berg, starb er bereits ein Jahr später. Die Legende erzählt von Wundern, die am Grabe des ersten Abtes von St. Aurelius gewirkt worden seien.

Abt Wilhelm von Hirsau, der Selige

Es gehörte zu den unbegreiflichen Fügungen des Schicksals, daß aus der Notwendig­keit, einen neuen Abt zu wählen, das Stück Orts- oder allenfalls Klostergeschichte durch seinen neuen Träger in die Reichsgeschichte umzuschlagen begann. Wieder fällt es schwer, die letzten Beweggründe für das Vorgehen Adalberts zu finden. Offenbar waren die verbliebenen Mönche zu schwach, diesem Eingreifen des welt­lichen Fürsten zu wehren. Wollte Adalbert einen völlig ortsunkundigen Abt, der im Kampf um die materiellen Interessen zum Spielball werden sollte? Oder lag ihm tatsächlich so viel an der Zucht des berühmten Regensburger Klosters St. Emmeram, an einem berühmten Mann, der über wissenschaftlichen Interessen den politischen Umgang vernachlässigen würde?

Wir wissen es nicht. Wir kennen nur die Person: Wilhelm von Hirsau, der in der einzig erhaltenen Darstellung als asketisch-vergeistigter Mann mit eingefallenen Backenknochen und dem lodernd-fanatischen Blick erscheint. Ein Eiferer Gottes, so wurde er genannt, ein weitsichtiger Politiker, ein Feind des Reiches. Alle diese Aussagen widersprechen sich, sie umfassen das Leben und Wirken des zweiten Abtes von St. Aurelius nur zu einem Teil. Das Volk verehrt ihn, obwohl er nur als Seliger anerkannt ist, als Heiligen.

Aber lassen wir ihn in seiner selbstverständlichen und bescheidenen Art selbst er­zählen: »Da ich als Knabe noch der Schule übergeben war und das Lesen schnell

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