Die Hirsauer Schreie- und Bauschule

Mit dem Namen Hirsau untrennbar verknüpft ist das dreibändige Passionale als Höhepunkt der Buchkunst dieses Klosters. Hier bildet sich noch unter Abt Wilhelm, vor allem aber dann im 12. Jahrhundert, eine Schreibschule aus, die teilweise mit 60 Mönchen gearbeitet haben soll, welche die Aufgabe hatten, in die von Hirsau aus besiedelten Klöster Buchmalerei und Schreibkunst zu tragen. Reichenau, Regensburg, Fulda, Hildesheim und Köln hatten in der ottonischen Zeit hierin eine überragende Rolle gespielt, jetzt schließt sich Hirsau dieser Reihe an. Vorliebe für einfache, geschlossene Konturen, Gefühl für das Tektonische, strenge Großartigkeit und Monumentalität zeichnen diesen Stil aus. Eine reiche Verwendung der Pflanzenornamente und Tiersymbolik kennzeichnen die Initialen, daneben drängt sich vor allem im letzten Band des Passionale die Federzeichnung vor. So repräsentiert derHirsauer Stil eine neue Entwicklung, die über die Versteifung der Formen und die Ausgeprägtheit des linearen Stils den Spätformen der romanischen Buchmalerei zustrebt.

Leider wurde dieses wahre Schatzkästlein des Geistes so dezimiert, daß heute nur noch wenige Zeugnisse aus dieser Zeit erhalten sind, die mit Sicherheit Hirsau zugesprochen werden können. Drei Einschnitte scheinen die völlige Zerstörung der Bibliothek nach sich gezogen zu haben: die während des Konzils nach Konstanz geliehenen Bücher kehrten nicht mehr zurück; ein Teil wurde von Stuttgart zur Pulverherstellung (ad usum bombardicum) angefordert; die im Dreißigjährigen Krieg zurückgekehrten katholischen Mönche nahmen nach ihrer Ausweisung aus Hirsau die noch verbliebene Bibliothek nach Weingarten, von dort wurde sie ins vorarlbergische Blumenegg verlagert, wo sie verbrannt sein soll. Tatsache ist, daß fast unbemerkt viele im 15. Jahrhundert angekaufte Bücher erhalten blieben. Man darf daraus folgern: kostbare Manuskripte waren dann wohl schon vor diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden es ist nämlich nicht einzusehen, warum ge­rade die Handschriften in Stuttgart oder Blumenegg vernichtet wurden, während man die Erzeugnisse des frühen Buchdrucks rettete.

Um die Hirsauer Schreibschule in ihrer Bedeutung zu erkennen, bedürfte es noch

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