Tradition gewertet werden, und doch — auch diese Frage bedarf einer ernstlichen Prüfung.
David Friedrich Cleß, 1 ) der mit Recht unsere Zelle als Hirsauer Niederlassung bezeichnet; sagt hierzu: „Hirsau war in seiner im neunten Jahrhundert erneuerten Form eine Tochter von Fulda, wo die Engländerin Lioba ein Nonnenkloster unter Bonifatius und Sturms Aufsicht errichtete. Und von ihr mag einer hirsauischen Kolonie, deren Kirche vielleicht eine Reliquie von St. Lioba besaß, dieser Name geschöpft worden sein.“ Uber diesen Punkt können wir kurz hinweggehen. Wir wissen heute, daß Trithemius den Bericht über eine Besetzung des Hirsauer Klosters durch Mönche aus Fulda im Jahre 830, bei Fertigung seiner Hirsauer Annalen im 16. Jahrhundert, zur Verherrlichung dieses Klosters erfunden hat. Die Frage, ob Hirsau eine Liobareliquie besessen haben könnte, muß nach den dortigen Urkunden verneint werden. Der Codex Hirsaugiensis*) nennt mehrere Hundert Reliquien, die in den Altären der späteren Peter-Paulskirche geborgen lagen. Der Name Lioba erscheint dabei nicht. Auch sonst fehlt in den klösterlichen Akten jede Nennung dieses Namens.
Ohne Begründung sagt sodann Christof Friedrich Stalin 8 ), in dem Ortsnamen Liebenzell stecke der Personennamen Lioba. Ob dabei an eine mittelbare oder unmittelbare Namengebung gedacht ist, bleibt unklar. Vermutlich hat sich Stälin hier der Hypothese seines Vorgängers Cleß angeschlossen.
Aus der Lebensbeschreibung der Heiligen ist nicht zu entnehmen, daß diese irgendwann in unsere Gegend gekommen wäre. 4 ) Für die Annahme einer Gründung dieser Zelle durch Lioba selbst fehlt daher jeder Nachweis.
Wäre die hl. Lioba die Namengeberin des Ortes, so müßte doch deren Name gerade in Verbindung mit der Zelle gefunden werden. Diese wird jedoch 1091 nur Chele und 1130 Celle genannt. Weiterhin finden wir 1191 oppi-
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