Beschreibung der Flüsserei auf der Enz und Nagold.

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In Mannheim oder an der Mainmündung in Castel wurden diese Flösse in sogenannte steife Stücker von 700 Fuss (200 m) Länge und 4080 Fuss (11,523 m) Breite zusammengefügt und mit weiterem Eichenholz aus der Pfalz, dem Westerwald und andern Rhein- und Maingegenden derart beladen, dass sie 4725 Fuss (1,31,4 m) Tiefgang. erhielten.

Nachdem mit diesen Stücken die gefährlichen Felsen und Strudel zwischen Bingen und Koblenz durchfahren waren und der Rhein durch Lahn und Mosel verstärkt ist, wurden in Koblenz oder Andernach die sogenannten Kapitalflösse zusammengesetzt.

Ein solcher ist in Beilage 44 in gerader und gebogener Lage abgebildet. Er bestand in der Hauptsache aus dem 200 m langen etwa 3050 m breiten Steifstück, auf das man die Eichen der­art packte, dass die geraden Stämme an beiden Seiten, Krummholz und Fassdauben in die Mitte kamen. Auf das Eichenholz kamen eichene und tannene Bohlen und Bretter und endlich noch Laufdielen für die Flossknechte.

In ähnlicher Weise waren die vor dem Steifstück befindlichen je 25 m langen, sogenannten Kniee zusammengesetzt.

Zu beiden Seiten des Steifstücks und der Kniee schwammen die etwa 8 m breiten Anhänge.

Die Kniee unter sich, sowie das Knie und das Steifstück waren durch starke Taue und durch je einen Eichenstamm, der gelenkartig nach dem rückwärts gelegenen Flossteil hinausstach, verbunden.

Diese Verbindung erlaubte eine ziemlich starke Drehung der Kniee, die man auch zu Zwecken des Steuerns mit Winden ausführen konnte. Ferner . dienten zum Steuern 52 Riemen, d. h. eine Art Schlagruder, deren jedes von 38 Mann gehandhabt wurde. Der Steuermann stand auf einem 6 m erhöhten Steuerstuhl, mit Gesicht gegen die Flossmeisterknechte, die sogenannten Presser, welche jeden Wink des Steuermanns beobachten und die Ruderknechte zur Arbeit antreiben mussten und unablässig mit einer Gerte den Takt zum Ruderschlagen winkten. Die Ank«r lagen auf den An­hängen. Die 3040 angehängten Ankernachen schwammen seitlich; Wahrschauernachen fuhren voraus, um die Flussstrasse frei zu halten und die Oeffnung der Schiffbrücken anzumelden.

Die Gesamtlänge der Kapitalflösse mass bis 350 m, die Gesamtbreite bis 60 m; der Tiefgang betrug 1,72,0 m. Das Personal bestand aus dem Flossherrn oder dem Faktor mit seiner Familie, 1 Steuermann, mehreren Meisterknechten, Bedienten, Proviantmeistern, Köchen, 7080 Mann Ankervolk und gegen 450 Ruderknechten, zusammen aus etwa 530550 Personen.

Anker- und Gemeinvolk erhielt neben der Schiffskost für die Strecke MannheimMainz 1 Gulden 30 Kreuzer, MainzAndernach 2 Gulden und AndernachDortrecht 7 Gulden 30 Kreuzer; der Steuermann bekam nebst der Kost am Herrentisch 70100 Gulden für die erstgenannte Strecke. Von da ab wurden Rüdesheimer Steuerleute aus altangesessenen Schifferfamilien, die mit den Strom­verhältnissen genau bekannt waren, genommen. Diese erhielten für sich und für 12 Steuerknechte neben der Kost für die Strecke MainzDüsseldorf 1000 Gulden und noch einStücklein ostindischen Ziz für die Frau Steuermännin. Zu Düsseldorf nahm man einen Nationalholländer, dem man neben guter Kost überhaupt 100 Dukaten lohnte.

Der Wert eines solchen Kapitalflosses samt seiner Oblast konnte 300 000 Reichsthaler, die Transportkosten bis Dortrecht, dem Endpunkt des Rheinhandels, 60 000 Gulden und die Zölle und Abgaben ebenfalls 60 000 Gulden*) betragen.

Die Flösse hatten nämlich, nachdem sie auf der Enz die erste Zollstätte Neuenbürg, auf der Nagold Liebenzell passiert hatten, zwischen Pforzheim und Mannheim noch an 13 weiteren Zoll­stätten oder Kontributionsplätzen Abgaben zu entrichten, nämlich in Dürrmenz, Vaihingen, Ober­riexingen, Unterriexingen, Bissingen, Bietigheim, Lauffen, Heilbronn, Neckarsulm, Wimpfen, Neckarelz, Neckargemünd und Heidelberg.

Von Mannheim bis Andernach hatten sich die Flösser ferner mit Einrechnung dieser zwei Plätze mit 12, von da bis Dortrecbt mit 16, insgesamt also mit 42 Zollstätten abzufinden.

Trotz der schärfsten Kontrollmassregeln soll es aber den Flössern öfters gelungen sein, in ausgedehnter Weise Schmuggel in der Art zu betreiben, dass sie in den unter Wasser gelegenen Zwischenräumen zwischen den krummen und geraden Eichenhölzern, in den sogenannten Nestern, Fässer mit Wein u. dgl. mitführten.

*) Nach anderen Angaben 3400000 Gulden.

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