Beschreibung der Flösserei auf der Enz und Nagold.
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sie gegenüber den Waldbesitzern gemeinsame Sache machen. Die Flossholzhändler haben an der Nagold und am Zinsbach teils wegen der Unmöglichkeit aus den hintersten Waldgebieten das Holz anders als zu Wasser herauszubringen, teils wegen der geringeren Entwicklung der Holzindustrie, weit freiere Bahn als an der Enz. Die Nagoldsägwerke wären zur Zeit wohl noch nicht im stände, den gesamten Holzanfall ihres Thals zu verarbeiten.
Von den Werksbesitzern wird bestritten, dass sie die Beseitigung der Flösserei deshalb anstreben, weil sie eine unbequeme Konkurrenz für die Sägwerke beim Holzeinkauf bilde.
Nicht die Flösserei mit ihrem bescheidenen Langholzbedarf, sondern die Sägindustrie mit ihrem mehr als lOfachen Holzverbrauch, wovon etwa 70°/o im Flossstrassengebiet und 30°/o in anderen Landesteilen oder ausserhalb Württembergs aufgekauft werden, habe die Holzpreise auf ihre jetzige Höhe gebracht. Es sei eine weitgehende Ueberschätzung der Flösserei, wenn ihr diese Wirkung zugeschrieben werde.
Es ist schwierig, die sich widerstreitenden Erklärungen der sich gegenüberstehenden Interessentenkreise auf das richtige Mass zurückzuführen, und über die Frage des Einflusses der Flösserei auf die Gestaltung der Verkaufspreise des Stammholzes ein unparteiisches Urteil sich zu bilden.
Es soll hier übrigens noch darauf hingewiesen werden, dass nach Aufhebung der Flösserei im Enz- und Nagoldthal die dortige Holzerzeugung nur mit derjenigen des ganzen anderen württem- bergischen und badischen Schwarzwalds gleich gestellt würde, und dass es auffallend erscheint, dass im württembergischen Murgthal, in welchem den Sägwerksbesitzern keine Konkurrenz durch die Flösser gemacht werden kann, seit Jahren bessere Holzpreise erzielt werden, als in dem dieser Konkurrenz offenen oberen Nagoldthal.
Die Waldbesitzer haben altberechtigte Interessen an der bestehenden Wasserstrasse, denen eine gewisse volkswirtschaftliche Bedeutung nicht abgesprochen werden kann und die nicht ohne weiteres ausser acht gesetzt werden dürfen. Die Waldbesitzer erblicken in der Flösserei im allgemeinen, sowie auch in der Binnenflösserei im besonderen, den Vorteil einer vermehrten Konkurrenz und eines damit verbundenen höheren Holzerlöses und schreiben ihr eine regulierende Wirkung auf die Holzpreise zu. Sie behaupten, dass beim Vorhandensein mehrerer Abfuhrmöglichkeiten die Käufer mehr für das Holz bezahlen können, und dass der Unterschied zwischen den Kosten der Verflössung auf nur etwa 15 km und auf 40—50 km Entfernung, im Gegensatz zur Achsfracht, eine ganz geringe sei. Nach ihrer Meinung könnten z. B. die grossen Sägwerke in Unterreichenbach, Dillstein und Pforzheim ohne die Binnenflösserei in der Hauptsache kein Langholz aus dem Nagoldthal mehr beziehen, weil die Verfrachtung auf der Bahn wegen der damit verbundenen zweimaligen Achsfracht und des umständlichen Auf- und Abladens zu teuer sei und weil die Bahnhöfe im Enzthal und einige hochgelegene im Nagoldthal für den Langholztransport wenig oder gar nicht geeignet seien. Der von den Gegnern der Flösserei so vielfach ins Feld geführte volkswirtschaftliche Nachteil durch den Verlust an Holz infolge des Lochens falle neuerdings im Binnenverkehr durch die Verwendung von Schrauben fast ganz weg und die Sägwerksbesitzer haben den Vorteil, dass sie ihr Holz gut sortiert und frei von dem für die Sägen so gefährlichen Sande auf ihre Lagerplätze geliefert erhalten. Ferner befürchten sie, dass die Sägwerke bei grossen Holzanfällen, wie sie durch Schneedruck und Windbruch entstehen, oder im Falle des Stillstehens eines der bedeutenderen Sägwerke, etwa infolge eines Brandes oder sonstiger Umstände, nicht im stände sein könnten, den Anfall zu verarbeiten. In diesen und in ähnlichen, besonders gearteten Fällen biete ihnen die Flösserei die Möglichkeit, am unteren Neckar und am Rhein ihr Holz teurer abzusetzen, als dies bei Bahnbeförderung möglich ist. Zudem bleiben den Waldbesitzern beim Fortbestehen der Flösserei die hohen Kosten für Weganlagen und Aufladerampen im Walde, sowie für Wegunterhaltung erspart.
Von 115 waldbesitzenden Gemeinden des Enz-Nagoldgebiets mit 15 428 ha Wald haben sich im Jahre 1893 auf Anfrage 29 Gemeinden mit 6049 ha Wald und von 390 Privatwaldbesitzern mit etwa 6631 ha Wald, 239 Besitzer mit 4037 ha Waldfläche gegen Aufhebung der Flösserei ausgesprochen.
Im Gross- und Klein-Enzthal, sowie im oberen Nagoldthal erstreckt sich die Flossstrasse um rund 17 km, im Zinsbachthal um rund 7 km weiter ins Hinterland der genannten Flussläufe hinauf, als die Eisenbahn; dadurch können für die am ungünstigsten gelegenen Waldungen in der Nähe der Quellgebiete dieser Flüsse die Beifuhrkosten zu den obersten Bahnhöfen Wildbad, Calmbach und Altensteig dieser Thäler bis zu 2 M. 50 Pf. für den Festmeter teurer werden, als zur nächstgelegenen Flosseinbindstätte. Diese Waldbesitzer, sowie diejenigen, deren Waldungen auf der ausgedehnten
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