Beschreibung der Flösserei auf der Enz und Nagold.

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der zahlreichen Wässerwehre im Oberlauf der Flüsse erfordert infolge des Flössereibetriehes, wie oben berechnet, einen nicht unbeträchtlichen Mehraufwand.

Die Uferangrenzer klagen über Uferabbrüche, deren Entstehung durch Auswaschungen der rasch steigenden und fallenden Schwellwasser, sowie durch Anstossen und Reiben der Flösse an den Ufern verursacht werden und über Erhöhung der Gefahr von Hochwasser- und Eisgangs­schäden.

Dagegen wird durch die jährlich im Interesse der Aufrechterhaltung des Flössereibetriebs vor­genommenen Räumungsarbeiten der Erhaltung guter Zustände im Bett und an den Ufern nicht unwesentlich Vorschub geleistet.

Die Fischzucht leidet unter der Zerstörung der Fischbrut und der Fische selbst durch die Flösse und deren Sperren, sowie durch die Schwellwasser, welche Fische auf das anstossende Ge­lände bringen, wo sie bei raschem Ablauf der Schwellwasser verenden.

Alle diese Nachteile treten zurück gegenüber den Schädigungen der Industrie durch den Flössereibetrieb.

Den Wasserwerksbesitzern, welche die Bewegung gegen die Flösserei in Fluss gebracht haben, muss zugestanden werden, dass sie durch die Langholzflösserei erheblich beschwert werden.

Klagen der Werksbesitzer über Störungen im Wasserzufluss kommen zwar nicht nur an Floss- strassen vor, sondern sie sind auch in sonstigen industriellen Gebieten ohne Flossbetrieb eine nicht seltene Erscheinung. Die Erfahrung lehrt, dass eben fast jeder Werksbesitzer in erster Linie für sich selbst zu sorgen und für sein eigenes Geschäft das Betriebswasser sich zu sichern sucht und es wird wohl den Flössern manche Unregelmässigkeit angerechnet, welche auf Rechnung von Ueber- griffen einzelner Werksbesitzer zu schreiben wäre.

Trotzdem muss zugegeben werden, dass die Werksbesitzer an Enz und Nagold unter einem besonderen Drucke stehen und dass ihre Klagen über Benachteiligung durch die Flösserei eine gewisse Berechtigung besitzen; von 107 an den Flossstrassen des Enzgebiets gelegenen Werks­besitzern, welche aus einer Summe von 5116 000 M. Steuer für Gebäude und Gewerbe bezahlen, haben sich daher im Jahre 1893 103 mit 5 036 000 M. Steuerkapital für Aufhebung der Flösserei ausgesprochen.

Der Umfang der erwachsenden Schädigungen ist verschieden je nach der Grösse und Betriebs­art eines Wasserwerks, sowie je nach den Wasserstands Verhältnissen.

Bei gutem Wasserstand bringt die Flösserei den kleinen Werken, deren Wehr und Uebereich in solchen Zeiten gewöhnlich überfliesst, kaum einen Nachteil. Sie empfinden einen solchen nur bei kleinem Wasserstand und zwar nach dreierlei Richtungen, insofern erstens das Wasser durch Schwellen zeitweise im Oberlauf zurückgehalten wird, unregelmässig zufliesst und teilweise unaus- genützt die Wehre überströmt, zweitens bei Durchfahrt der Flösse durch die Flossgassen Betriebs­stockungen entstehen und Betriebswasser verloren geht, und drittens mit dem Hängenbleiben von Flössen oberhalb oder unterhalb der Werke ein nochmaliger Verlust an Betriebswasser verbunden ist.

Anders liegt es bei den zahlreichen grossen Werken mit ausgedehntem, fabrikmässigem Betrieb. Für sie giebt es auch bei gutem Wasserstand kein überschüssiges Wasser. Jeder Tropfen ist will­kommen. Was der Fluss bringt, wird der Arbeitsfalle zugeleitet, um dem Bedarf an Triebkraft zu genügen. Jeder Wasserentzug, jede auch nur vorübergehende Schmälerung, jede Unregelmässigkeit des Wasserzuflusses wirkt nachteilig. Es treten Betriebsunterbrechungen oder Stockungen ein, in denen die vorhandenen Arbeitskräfte und Maschinen zum Nachteil von Arbeitgebern und Arbeit­nehmern nicht oder nur in beschränktem Masse ausgenützt werden können. Auch hat die unregel­mässige Wasserzufuhr in Geschäften wie Spinnereien, Webereien, Papierfabriken u. dgl. eine un­günstige Rückwirkung auf die Beschaffenheit der in Herstellung begriffenen Ware.

Wenn die Inhaber grösserer Werke geltend machen, dass die Flösserei zu allen Zeiten einen empfindlichen Druck auf ihren Geschäftsbetrieb ausübe, so ist dies durchaus glaubhaft; andererseits ist aber auch anzuführen, dass alle diese Werke ihren fabrikmässigen Betrieb während des Bestehens der Flösserei eingerichtet und trotz des Flössereibetriebs sich bisher stetig zur derzeitigen Blüte entwickelt haben.

Der jährliche Schaden der württembergischen Wasserwerksbesitzer ist in deren Eingabe vom 7. September 1886 zu 109 500 M. berechnet. Von den Mühlen und Sägwerken in Baden wird der Schaden, der ihnen allein nur beim Durchlass Eines Flosses erwächst, je nach dem Wasserstand zu 1025 M. angegeben; bei dem oberen Hammerwerk in Pforzheim soll er sich, wenn die Giesserei