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Beschreibung der Flösserei auf der Enz und Nagold.
In neuester Zeit fanden bei dem Grossh. badischen Bezirksamt Pforzheim Verhandlungen wegen Neufestsetzung der vorerwähnten Taxen statt, die aber in naher Zeit wohl noch nicht zum Abschluss gebracht werden können, w T eil namentlich die Werksbesitzer höhere Entschädigungen beanspruchen, denen sich die Flössereiinteressenten widersetzen.
4. Gegenwärtige Längen der Flossstrassen.
Die flossbare Länge der Enz beträgt von der obersten Wasserstube im Poppelthal bis zu ihrer Einmündung in den Neckar bei Besigheim 104,5 km; die Teilstrecke von Poppelthal bis zur Nagoldmündung in Pforzheim ist 45 km, die Flossstrasse im Thal der kleinen Enz 18,2 km lang. Die 10,9 km lange Flossstrasse der Eyach ist seit 1889 ausser Benützung.
Die Nagold hat von der obersten Wasserstube im Hasengrund bis nach Pforzheim eine flossbare Länge von 88,2 km. Die Entfernung von Hasengrund bis Besigheim beträgt 147,6 km. Der Zinsbach ist 4,7 km weit flossbar.
Von den 104,5 km Gesamtlänge der Enzflossstrasse entfallen 13,5 km auf badisches Gebiet und 5,2 km auf die gemeinschaftliche Flossstrecke; an der Nagold liegen 10,9 km in Baden, 6,3 km sind Grenzstrecke. Unter Grenzstrecken sind hier, im Gegensatz zu Seite 19 und 20, solche Flussstrecken verstanden, an welchen die beiderseitigen Ufergelände verschiedener Landeszugehörigkeit sind.
Von der 215,6 km betragenden Gesamtlänge der Flossstrassen von Enz und Nagold nebst ihren Seitenbächen, der kleinen Enz und dem Zinsbach sind
württembergisch .... 179,7 km oder 84% rund
badisch.24,4 „ „ 11 °/o „
gemeinschaftlich .... 11,5 „ „ 5 °/o ,,
In Beilage 45 ist eine Uebersichtskarte über die Flossstrassen des Enz- und Nagoldgebiets beigegeben.
5. Gegenwärtige Flossbetriebseinrichtungen.
Wasserstuben.
Die Enz ist nur von Pforzheim abwärts als natürlich flossbar zu bezeichnen. Die Enz oberhalb der Nagoldmündung, die kleine Enz, die Eyach, die Nagold und der Zinsbach sind künstlich flossbare Flüsse. Es mussten daher schon zur Zeit ihrer Flossbarmachung in angemessenen Entfernungen Stauvorrichtungen, Wasser- oder Schwellstuben, auch Keuter genannt, gebaut werden, in denen Schwellwasser gesammelt werden konnte. Diese bei Abgang eines Flosses freigegebenen Wasser verstärken die vom Fluss geführte sekundliche Wassermenge 7* bis ’/* Stunde lang und ermöglichen dadurch die Fortbewegung des Flosses. Denselben Zweck können selbstverständlich alle Stauvorrichtungen, insbesondere auch grössere Wehrwagen von Industriewehren erfüllen.
Die Bestandteile einer Wasserstube sind die quer zum Fluss stehende, aus Holz oder Stein gebaute, meist mit beweglichem Aufsatz oder aushebbaren Teilen versehene Brustwand mit Floss- gasse und der dahinterliegende Schwellraum. In Beilage 46 ist eine ganz aus Holz erstellte Wasserstube, wie sie früher angelegt wurden, gezeichnet, während Beilage 47 die Konstruktionsart aus dem Jahre 1880 zeigt.
Nach der Enzflossordnung vom Jahre 1588 ist der Bau und die Unterhaltung der Wasserstuben zunächst Sache der Gemeinden gewesen, die von der Flösserei Nutzen zogen.
Nach der Flossordnung der Nagold vom Jahre 1667 wurden die Wasserstuben oberhalb Erzgrube vom Staat, gemeinsam mit den Gemeinden Besenfeld und Göttelfingen unterhalten, während diejenigen unterhalb Erzgrube auf Staatskosten gebaut und gebessert werden sollten. Diese Unterhaltungskosten sollten aber gleichmässig verteilt auf alle Flösse am Schlüsse jedes Jahres umgelegt werden.
Vermöge des Traditions protocolli von 1789*) an die Joh. Mart. Vischersche Holländerholzkompagnie hatte damals die herzogliche Bentkammer an der Nagold die Kirchbühl-, Reutplatz-, Pfaffen-, Altensteiger- und Mohnhardter-Wasserstube zu unterhalten.
Zu welcher Zeit und in welcher Weise die Unterhaltung des weitaus grössten Teils der Wasserstuben auf den Staat ohne Rückgriff auf die Flösser übergegangen ist, konnte nicht ermittelt werden.
) Spittlersche Sammlung. Oeffentliche Bibliothek. Fol. 052 », Bund 5.