Maurer Kopp, gar nicht die Absicht, die Kirche vollends abzubrechen; er wollte im Gegenteil in der „steinernen Scheuer" eine Wohnung einbauen, was ihm nach Punkt 4 der VerkaufsbedingungerCH „auf zuvor einzuholende Allerhöchste Genehmigung" freigestellt wurde. Im folgenden Jahr verkaufte aber Kopp die „steinerne Scheuer" wieder an Christian Jakob Zahn und Heinrich Christ. Schill in Calw mit einem Mehrerlös von 408 Gulden. Die Familie der verwandtschaftlich verbundenen Käufer war im Besitz der Hirsauer Saffianfabrik, und so wurde die steinerne Scheuer nun Aufbewahrungsraum für Felle und sonstige Rohstoffe dieser Fabrik. Der spätere Saffianfabrikant Eduard Zahn hatte 4874 die Absicht, die in seinem Besitz stehende ehemalige Aurelinskirche gegen den großen Fruchtkasten (Klostermühle) innerhalb des Klostechofs zu vertauschen. Er suchte den Landeskonservator Paulus für diesen Plan zu erwärmen. Die in dieser Sache geführten Verhandlungen ergaben nun die heute kaum glaubliche Tatsache, daß man von seiten des Kameralamtö Hirsau im Zweifel war, ob cS sich bei der einzutauschenden „steinernen Scheuer" auch wirklich um die ehemalige Aurelinskirche handle: „Daß das alte Gebäude, das man Aureliuskirche nennt, auf dem linken Ragoldufec im sogenannten Meiereyhof von Hirsau stehend und an des früheren Steuerrats und vormaligen Forstverwaltungsgebäude anstoßend, im übrigen zwischen bürgerlichen Gebäuden eingeklemmt, die Aureliuskirche gewesen ist, ist nach dem Inhalt des ersten Theils des Amtsgrundbuchs nicht constatirt, es heißt dort: Das zweite auf der Stelle des ehemaligen alten Klosters noch vorhandene alte Gebäude ist — wenn die allgemeine Volkssage nicht täuscht — die alte Kirche. Dafür, daß dieses Gebäude ehemals Kirche gewesen sey, spricht übrigens seine innere Einrichtung, namentlich die gesprengten Bögen und massiven steinernen Säulen, zwischen denen in neuerer Zeit Knhstände angebracht waren, die aber in der neuesten Zeit, seit das Gebäude von der Hirsauer Saffianfabrik zum Fellmagazin erkauft worden ist, entfernt worden sind. Christmann sagt zwar in seinem Buch (S. 276): die Kirche des alten Klosters sey im Jahr 4584 abgebrochen worden. Allein es ist wohl möglich, daß sie nicht ganz abgebrochen, sondern blos der obere Theil derselben abgehoben wurde .. ," 45 ). Der von Zahn angestcebte Tausch kam nicht zustande, das Kameralamt Hirsau konnte jedoch 4892 den Besitzer der Saffianfabrik dazu bewegen, die Aureliuskirche um den Preis von 7000 Mark an die Staatsfmanzverwaltung zu verkaufen^).
44 ) Kauf — Copeybuch Kloster Hirsau, von 1812—1819, fol. 48 b (Rathausarchiv Hirsau).
45 ) Akten betr. Verwaltung der Grundstücke und Gebäude, Kloster Hirsau (Staats- rentamt Hirsau).
46 ) Ebenda. Der oben erwähnte erste Teil des Amtsgrundbuchs des Kameral- amts Hirsau (von 1819) befindet sieb im Staats-Filialarchiv Ludwigsburg.
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Der Richtkenner der Hirsauer Geschichte geht heute achtlos an dem von außen unscheinbaren Überrest der Aurelinskirche vorüber. Dem Kunst- und Geschichtskenner erscheint es jedoch als ein Glück, daß sich wenigstens dieses Bruchstück durch die lange Zeit des mangelnden Verständnisses für Baudenkmäler hindurchgerettet hat^). Die beim teilweisen Abbruch der Kirche 4584/85 gewonnene große Menge von Steinmaterial ist mit größter Wahrscheinlichkeit zum Bau des 4586—4592 erstellten herzoglichen Schlosses verwendet worden. Leider ist auch das letztere seit 4692 zerstört, doch zeigt dessen Ruine heute noch an einzelnen Stellen bisher ungeklärte romanische Mauerreste.
Da der für Hirsaus Geschichte bedeutendste ÜÜann, Abt Wilhelm, nicht in dem durch seine Ruinen so ansprechenden neuen Kloster, sondern in dem alten jenseits der Brücke die Stätte seiner Wirksamkeit hatte, verdient der noch erhaltene Überrest der Aureliuskirche besucht und beachtet zu werden.
Die Barcholomäusktrche.
Ebenso wie die RazariuSkirche ist auch die Kirche St. Bartholomäus abgegangen; letztere jedoch erst Ende des 48. Jahrhunderts. Die Geschichte der Bartholomänskicche ist nirgends dargestellt; wo aber die Kirche gelegentlich erwähnt wird, geschieht eS fast immer in durchaus unrichtiger Weise. Die hier herrschende Unklarheit hat ihren Grund teils darin, daß — wie schon im zweiten Abschnitt gezeigt — Razarius- und Bartholomäuskirche in der Literatur über Hirsau immer wieder verwechselt werden. Die Bezeichnung „Razariuskirchlein in der Pletschenau" ist seit G. Bessert 4 ) zum stehenden Ausdruck geworden^). Es sei deshalb hier nochmals festgestellt: die Kirche in der Pletschenau war nicht dem hl. RazariuS, sondern dem Apostel Bartholomäus geweiht. Aber auch dort, wo diese beiden abgegangenen Kirchen hinsichtlich ihrer Lage und ihres Titelheiligen richtig angegeben sind, ist deren Zweckbestimmung nur unklar Umrissen. Wir lesen: „Als Pfarrkirche (von Hirsau) diente bis 4692 die Kirche des hl. Razarius in der Pletschenau"^) und weiterhin: „Die bis ins letzte Jahrhundert herein gebrauchte Pfarrkirche des ums Kloster her liegenden Dorfes in der Pletschenau ist diesem Heiligen
47 ) Bildliche Aufnahmen des Überrests der Aureliuskirche bei Hans Christ, Romanische Kirchen in Schwaben und Neckarfranken, Bd. I, und Adolf Mettler, Mittelalterliche Klosterkirchen und Klöster der Hirsauer und Zisterzienser
in Württemberg.
4 ) Württ. Kirchengesch., S. 69.
2 ) Vgl. G. Hoffmann, Kirchenheilige in Württemberg, S. 25. Oberamt Calw (Sonderdruck aus: Das Königreich Württemberg), 8. 34 u. a. Stellen.
3 ) Oberamt Calw (Sonderdruck aus: Das Königreich Württemberg), S. 37.
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