der Annalist für feine Angabe einer Stiftung unter Pippin wirklich eine zuverlässige Unterlage besessen, so könnte bei Vermeidung gewagter Schlüsse ans dieser Stelle nur gefolgert werden, daß Erlafrid Stifter der Razariuskirche war. Die letztere sowie ein nicht näher bezeichneteS Waldhaus waren sa nach dem größeren Gründungsbericht 28 ) die einzigen 830 am Ort der Klostergründung vorhandenen Gebäude. Erlafrid hätte dann zwar nicht das Kloster gegründet, aber durch Errichtung einer Kirche an dieser Stelle (wohl verbunden mit einer kleinen Zelle) schon vor 768 24 ) den ersten Grund siir den späteren Klosterbau gelegt. Ein Erlafrid dieser Gegend als Zeitgenosse Pippins ist durch eine Schenkung an das Kloster -Lorschs) deutlich bezeugt 28 ). Demnach hätte ein in Alamannien und Franken begüterter edler und frommer Mann namens Erlafrid zwischen 765 und 768 27 ) auf eigenem Grund und Boden, nahe des späteren Aureliusklosters, die erste Kirche in dieser Gegend erstellt und als Schutzpatron für feine Stiftung den damals besonders beliebten hl. Razarius erwählt. Soviel dürfte bei vorsichtiger Prüfung der verschiedenartigen Gründungsurkunden mit einiger Sicherheit sestzustellen sein.
Welchem Zweck diente nun diese vorklösterliche Kirche in dem noch un- besiedelten Ragoldtal? War es, wie G. Bessert meint 28 ), ein vorgeschobener NcissionSposten oder wäre mit P. Weizsäcker 28 ) daran zu denken, daß Erlafrid als frommer Mann sich hier nur eine Hauskapelle errichtet haben sollte, um bei vorübergebendem Aufenthalt in der wildreichen Hirschaue des Gottesdienstes nicht zu entbehrend Für beide Annahmen kann eine Bestätigung nicht erbracht werden, da jede nähere Angabe über die Zweckbestimmung der einsamen Kirche fehlt. Zu beachten ist aber folgendes: Der noch heute als „Kirchweg" bezeichneke Fußpfad von Ottenbronn nach Hirsau führt unmittelbar auf den niedrigen Hügel, ans welchem sich das RazarinSkirchlein einst befand. Der untere Teil des Weges wurde zwar im vorigen Jahrhundert bei dem Bau der Bahnlinie Ealw—Pforzheim zerstört. Der Weg ist aber in seinem ganzen Verlaus aus einer Karte des Kiesecschen Forstlagerbuchs von 1680 30 ) eingezeichnct. Er führte nicht bis zur Landstraße, sondern endigte auf dem steil nach
23 ) Cod. Hirsaug. fol. 2 a.
24 ) Todesjahr Pippins.
25 ) Cod. Lauresham, Nr. 3290 (eine Hube und einen Leibeigenen zu Gültstein bei Herrenberg) vgl. Fr. Lutz, a. a. O. S. 67.
M ) Dieser Erlafrid ist zu unterscheiden von einem angeblichen späteren Träger dieses Namens, der 830 das Aureliuskloster gestiftet haben soll.
27 ) Vor 765 war der hl. Nazarius in Schwaben und Franken unbekannt, und das Jahr 768 ist das Todesjahr Pippins; nach Bertholds Annalen soll aber die Stiftung zur Zeit Pippins erfolgt sein.
2B ) Die Urpfarreien in Württemberg, Bl. f. Württ. K.G. 1887, Nr. 11, S. 82.
2S ) a. a. O. S. 229.
30 ) St.. Archiv Stuttg. Forstl. Buch, Nr. 75, fol. 38.
Westen abfallenden Hügel. Von der heutigen Landstraße führten einst Steinstnsen am Westhaug des Hügels empor 81 ). Wäre dieser Weg erst im späteren Mittelalter als Verbindung zwischen Hirsau und Ottenbronn angelegt worden, so hätte man wohl nicht den Ausstieg über den steilen Hügel gewählt. Doppelt unverständlich wäre aber bei dieser Annahme die bis heute erhaltene Bezeichnung „Kirchweg" 82 ). Die Kirche der Ottenbronnec war, nach den sicheren Belegen der nachceformatorischen Zeit 88 ), bis herein ins 18. Jahrhundert die des „hl. Bartholomäus zu Pletschenau", von welcher in einem späteren Abschnitt die Rede sein wird. Es wäre daher zu erwarten, daß der Ottenbronner Kirchweg zur Bartholomäuskicche führen würde; er führt jedoch znm Razariuöhiigel und ist daher ein sprechender Zeuge dafür, daß Ottenbronn vor Errichtung der Pfarrei St. Bartholomäus Anschluß an die Razariuskirche hatte.
Der kürzere Gründungsbericht im Codex Hirsaugiensis 34 ) nennt unter den Gütern, die schon 830 an das AnrelinSkloster gegeben wurden, auch den Weiler Ottenbronn. Rach der Bestätigungsurkunde Heinrichs IV. für das wiederhergestellte Kloster von 1075 35 ) wäre dagegen Ottenbronn erst »ach der Wiederherstellung des Klosters an dieses gekommen. Die verschiedenen sich widersprechenden Angaben bezüglich der Güterausstattung des Klosters.um 830 konnten trotz scharfsinnigster Untersuchungen 88 ) bis heute nicht völlig geklärt werden. Eine genaue Entstehungszeit des Weilers Ottenbronn ist daher nicht festzustellen, ebenso verhält es sich mit den Weilern Collbach und Ebersbühl. Bezüglich der Weiler Lützenhardt (heute Domäne) und Ragalthart (abgegangen) herrscht dagegen in den obigen Urkunden Übereinstimmung, diese beiden hätten demnach 830 schon bestanden. Ob wir nun der Bestätigungsurkunde oder dem Gründungsbericht im Codex Hirsaugiensis den Vorzug geben, so müssen immerhin für das Jahr 830 schon einige in der Umgebung der Gründungsstelle des Klosters vorhandene Weiler oder Höfe angenommen werden. Für die Siedler dieser von der nächsten Pfarrkirche (Stammheim) 81 ) weit abgelegenen Siedlnngsstellen dürste daher die Ra- zarinskirche erstellt worden sein. Für Ottenbronn bildet der oben beschriebene Verlauf des KirchwegS hierfür eine ziemlich sichere Bestätigung.
32 ) Die letzten Beste der Steinstufen wurden 1935 zerstört.
S2 ) Auch die Steinstufen zwischen der Landstraße und der Spitze des Hügels wurden als „Kirchweg“ bezeichnet. Vgl. Steuerbuch des Klosters Hirsau von 1777, fol. 36b (Rathausarchiv Hirsau).
33 ) Vgl. Geistl. Lagerbuch der Pfarr Pletzschenau (Pfarramtsregistratur Hirsau) und Heiligenrechnungen St. Bartholomäus (Rathausarchiv Hirsau).
34 ) Fol. 25 a.
35 ) Württ. Urk.Buch, I., Nr. CCXXXIII, S. 276.
36 ) Vgl. Fr. Lutz, a. a. O. S. 61 ff.
3! ) Vgl. G. Bessert, Die Urpfarreien in Württemberg, Bl. f. Württ. K.G. 1887, Nr. 11, S. 83.
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