Während der Zeit ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zum Kloster war sie daher wohl eine hirsauische Kirche, aber nicht die Kirche einer Pfarrei Hirsau.
Chr. Binder sagt 1798 24 ): „Nachdem aber das Kloster am 20. September 1692 von den Franzosen gänzlich eingeäschert worden, so wurde die hiesige zum Kloster gehörige Gemeine^) von solcher Zeit an bis 1697 von dem Pfarrer zu Hengstett (Althengsiett) und von 1697—1698 durch eilten %$i{atiu0 besorgt, endlich aber 1698 ein wirklicher Pfarrer hierher verordnet." Dies waren zwar die Anfänge zur Bildung der Pfarrei Hirsau, der Aktenbefund zeigt jedoch, daß die Umwandlung der alten Pfarrei St. Bartholomäus zur neuen Pfarrei Hirsau sehr langsam vor sich ging. Das Lagerbuch von 1699 nennt noch an mehreren Stellen^) die Kirche in der Pletschenau die Pfarrkirche, während dort die Marienkapelle (heutige Pfarrkirche) als die kleine Kirche bezeichnet ist 2 ?). Und was in diesem Zusammenhang besonders zu beachten ist: das Ntesnereigebäude ist dort genannt: „des Hailigen zu Ottenbronn Behausung". 9Uan redete also 1699 noch nicht von einem Heiligen zu Hirsau, sondern immer noch von dem zu Ottenbronn, dessen Kirche und zugehöriges Mesnereigebäude in der Pletschenau lagen.
Die Baufälligkeit der Pletschenaukirche und die für die damaligen Besiedlungsverhältnisse des Platzes günstige Lage der Marienkapelle, ebenso der Umstand, daß die Dienstwohnungen des Pfarrers und Schulmeisters im Klosterhof lagen, dürften einige Jahre nach der Klosterzerstörung den Wechsel des Kirchengebäudes veranlaßt haben^). Die Mmrienkapelle erhielt 1739 eine an die Südwand angebaute Sakristei^). Das gotische Kreuzgewölbe der Kapelle war wohl schon vor dieser Zeit — nach Klaiber in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts — angeblich wegen Schadhaftigkeit — entfernt und durch eine stilwidrige siache Holzdecke ersetzt worden. Weitere Neuerungen waren die im Westteil der Kapelle eingebaute Orgelempore, sowie eine als Notbehelf an die Reste der nördlichen Dormentwand angelehnte außerhalb der Kapelle zum zweiten Stockwerk emporführende Holztreppe. Nach den damaligen Begriffen war die Marienkapelle durch diese baulichen Umwandlungen zur ordentlichen Kirche vervollständigt worden. In Wirklichkeit war aber dieses Kleinod spätgotischer Baukunst damit aufs höchste verunstaltet^).
24 ) Wirtembergs Kirchen- und Lehrämter II, S. 911.
26 ) Unter der „hiesigen zum Kloster gehörigen Gemeinde“ sind die Beamten, Tag- löhner und Lehensleute des Klosters zu verstehen, kirchlich gehörten diese aber zur Pfarrei St. Bartholomäus.
2f> ) S. 43.
27 ) S. 44.
25 ) Der im Bibliotheksaal der Marienkapelle aufbewahrte alte Kanzelaufsatz trägt die Jahreszahl 1695.
29 ) Vgl. K. Klaiber, Gedenkblatt zur Einweihung der neu hergestellten evang. Kirche zu Hirsau, S. 6.
30 ) Die Kapelle wurde 1888 bis 1892 wieder stilvoll hergerichtet.
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