ein altes, wenn anch nnr kleines Dorf Hirsau als neben dem Kloster bestehend angenommen. Nach dem Befand des entsprechenden Aktenmaterials ist diese Anssassung als vollkommen irrig zu bezeichnen.
Einige noch vorhandene Lagerbücher des Klosters ans dem 15. und 16. Jahrhundert nennen nur die Nruhle in der Pletschenau, ebenso verschiedene in deren Nähe gelegene Acker- und Wiesengrnndstückc als abgabepflichtig *). Diese Mühle mit den ihr zugehörigen Nebengebäuden und sonstigen Grundstücken ist daher als daS älteste zins- und steuerbare Objekt im Bereiche deö heutigen Dorfes Hirsau anzusehen. Die eigentliche Klostermühle war innerhalb der Umfassungsmauern des neuen Klosters, nahe deö HaupttoreS * 2 ); sie durfte schon 1091 mit der Erbauung des Klosters erstellt worden sein. Die Pletschenanmühle dagegen diente vielleicht ursprünglich nur den Einwohnern der umliegenden Orte. Das Dorf Ottenbronn, nach dem Königsdiplom 1075 3 4 ) von dem Calwer Grafen Adalbert II. an das Kloster Hirsau vergabt, kam später zu einer nicht näher bekannten Zeit au die Markgrafen von Baden. Anch gewisse Rechte an der Sägmühle und an dem „Gerechtigkeitswald" zu Ernstmühl gingen, wohl zusammen mit dem Dorf Ottenbronn, an die Markgrafen von Baden über H. Die spätere Geschichte der Pletschenanmühle berechtigt zu der Annahme, daß damals anch Rechte an dieser vom Kloster Hirsau an die Markgrafen übergingen. Verständlich wird die Veräußerung des nahegelegenen Dorfes Ottenbronn und bestimmter Rechte zu Ernstmühl nur dann, wenn die seit Ende des 12. Jahrhunderts beim Kloster Hirsau eiugerissene Mißwirtschaft beachtet wird. Nachdem dann durch eine Reihe tüchtiger Abte — beginnend mit Abt Friedrich II. (1400—1428) — nicht nur dem sittlichen Zerfall, sondern auch dem wirtschaftlichen Niedergang gesteuert worden war, erlebte das Kloster eine neue Blütezeit. Dem Nachfolger des AbteS Friedrich, Wolfram Maiser (1428—1460) gelang es 1457, das Dorf Ottenbronn „mit aller Herrlichkeit, wie solches Ihr Fürst!. Gnaden ingehabt und genossen haben" im Täusch gegen die Dörfer Unterhangslett, Weiler, Schellbronn und Hohenwart von dem Markgrafen Karl zu Baden zurückznerhalten 5 ). Zu beachten ist nun, daß ebenfalls 1457, da die Lehensverhältnisse mit den Einwohnern des zurück- erworbenen Dorfes Ottenbronn vom Kloster neu geregelt werden mußten, auch mit dem Müller auf der Pletschenanmühle ein noch vorhandener Erblehensvertrag abgeschlossen wurde 6 ). Der damalige Lehensinhaber,
r ) Staatsarchiv Stuttgart, Gcistl. Lagerbücher Nr. 1148, 1151, 1166.
2 ) Das noch heute erhaltene Mühlegebäude wurde 1564, nach dem Brand der alten Mühle erstellt.
3 ) Nach dem kürzeren Gründungsbericht im Cod. Hirsaug. (toi. 25) wäre Ottenbronn schon 830 an das Kloster Hirsau gekommen.
4 ) Staatsarchiv Stuttgart, Gcistl. Lagerbuch Nr. 1176 von 1431.
5 ) Tauschurkunde bei Besold, Documenta etc., S. 526.
6 ) Staatsarchiv Stuttgart, Kepert. Kloster Hirsau, B. 73.
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Müller Rüehlin aus Steinegg, anerkennt in diesem Vertrag Abt und Konvent des Klosters als die Herren der Mühle, der zugehörigen Personen und Grundstücke. Es wird dem Müller aber anch das wohl schon vor dieser Zeit auf der Mühle ruhende Recht zngesichert, seinen Holz- bedars im Klosterwald Lützenhardt unentgeltlich zu decken. Nach F.Steck 7 ) ruhte noch 1844 auf der Mühle die Gerechtigkeit, jährlich 20 Klafter Holz, 500 Wellen sowie alles Geschirr- und Bauholz zur Mühle ohne Entschädigung ans den Staatswaldnngen zu erheben. Die Entstehung dieser Holzgerechtigkeit ist nach meinem Dafürhalten in sehr früher Zeit zu suchen. Wäre sie erst 1457, bei Abschluß des Lehensvertrags, entstanden, so wäre wohl nicht der jenseits der Nagold gelegene Klosterwald Lützenhardt, sondern der nahe gelegene Wald am Ottenbronner Berg genannt worden. Sowohl die Platzwahl für die Erstellung der Dartho- lomäuskirche wie noch weitere unten näher zu beschreibende Umstände weisen darauf hin, daß in der frühesten Klosterzeit der Ottenbronner Berg einschließlich der Bleseenowe zu Ottenbronn gerechnet wurde.
DaS zweite Gebäude innerhalb der Klostermarkung, das durch Erb- lehensvertrag in Privatbesitz überging, war die alte Klosterherberge. Schon vor der Veräußerung war die Herberge eine Reihe von Jahren hindurch verliehen: „Item das wirtö Hauß zu Hirsaw wirt alle Jar umb 10 Pfund verliehen" 8 ). Die sehr baufällige Herberge wurde 1584 „unseres ClosterS Hirsau bessern uuzenS willen" neben sonstigen jährlichen Abgaben für siebenhundertsechzig Gulden dem Wirt Hans Ulrich Köhler von Liebenzell als Erblehen überlassen 9 ). Nach dem Lagerbuch von 1574 10 ) waren zu dieser Zeit Mühle und Herberge die einzigen Gebäude am Platze, die dem Kloster „Gefälle und Einkommen" erbrachten. Neben dem Wirt und dem Müller waren im genannten Jahr noch abgabepflichtig der Mesner an der Pletscheuaukirche und der Forstverwalter des Klosters; die letzteren jedoch nur mit geringen Beträgen für kleine Verleihungen aus des Klosters Eigentum. In einem MnsterungS- oerzeichnis des Jahres 1523 u ), in welchem die wehrfähigen Männer von siebzehn bis zu sechzig Jahren ans sämtlichen Klosterorten angegeben sind, ist Hirsau selbst nicht erwähnt. Hätte es damals auch nur ein kleines Dorf dieses Namens neben dem Kloster gegeben, so würde es hier Erwähnung gefunden haben.
Die ersten Ansätze zur späteren Bildung eines Dorfes Hirsau zeigen sich erst nach der Zerstörung des Klosters (1692). Der Lehensinhaber
! ) Franz Steck, Das Kloster Hirsau, S. 288.
8 ) Staatsarchiv Stuttgart, Gcistl. Lagerbuch Nr. 1148.
9 ) Ebenda, Gcistl. Lagerbuch Nr. 1171, S. 72 ff.
10 ) Ebenda, Gcistl. Lagerbuch Nr. 1166, S. 43 ff.
”) Ebenda, Repert. Rais, Folg u. Musterung B 8 a Nr. 47. An der Gesamtzahl
der wehrfähigen Männer hatte von den näheren Klosterorten „Stamen“ mit
43 den größten und Collbach mit 3 Mann den geringsten Anteil.
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