sichtigung dieses Kellers ergibt: Doppeltes Tonnengewölbe, das, abgesehen von einzelnen Ausbesserungsstellen, aus auffallend schönbehauenen und genauestenü gefügten Quadersteinen erbaut ist. Beide von Ost nach West verlaufende Tonnen ruhen in der Mitte, je vornen und hinten, auf einem 0,72 Meter breiten und 1,75 Meter langen Pfeiler und sind oben durch ein rechtwinklig zu ihnen verlausendes Gewölbestück verbunden. Die Grundmaße der vorderen Tonne betragen: 8,30 Meter Länge zu 4,70 Meter Breite. Die nördlich anstoßende Tonne hat dagegen nur eine Länge von 7 Meter gegenüber einer Breite von 4 Meter. Mit größter Wahrscheinlichkeit ist von Völlnagel das unveränderte Chorgewölbe der Bartholomäuskirche zum Ban dieses Kellers verwendet worden. Die unteren Mauerschichten kamen dabei in Wegfall: die jetzige Höhe des Doppelgewölbes ist nur 3,36 Meter.
Daü größere Gewölbe ist als der eigentliche Chor der Kirche anzusehen; das kleinere dagegen als ursprüngliche Rebenkapelle, die später als Sakristei diente. Auö den Baurechnungen anläßlich der Herrichtungsarbeiten 4737—1741 geht deutlich hervor, daß auch die Sakristei, ebenso wie die Kirche selbst, ein massiver Bau war. Insgesamt verarbeitete man damals zur Ausbesserung des schadhaften Mauerwerks 63 Wagen Steine. In die Sakristei wurde 1737 eine 15 Fuß lange und 10 Fuß breite (4,30 : 2,86 Nieter) Holzdecke eingesetzt. Diese nahm also nicht den ganzen Raum des Rcbengewölbes ein. Der übrige Teil war wohl die mehrfach genannte „Tröstkammer", deren Bedeutung unbekannt ist. Rach dem Jnventarium der Heiligenrechnungen hatte der Pffeger die wertvollen Dokumente aufbewahrt „im Gewölbe uff der Kirch". Das Schiff war ffach gedeckt, also mußte der Chor eingewölbt sein.
In den Baurechnungen wird das Kirchendach stets von der „Chorhaube" unterschieden. Unter der letzteren ist das hohe pyramidenförmig zugespitzte Dach des Chors zu verstehen, wie es eine Gesamtansicht der Hirsauer Ruinen von 1745 zeigt 4S ). In dieser „Chorhaube" hing bis 1612 eine große Glocke; diese ging im genannten Jahr durch Tausch gegen ein kleineres Glöckchen an das Kloster über. Der Heilige erhielt dazu vom Kloster noch fünfzig Gulden Barentschädigung 4e ); demnach hätte es sich um eine sehr wertvolle Glocke gehandelt. Bei der sogenannten „Chorhaube" ist nicht an einen eigentlichen Turm, sondern nur an einen mit hohem Dach überdeckten Turmansatz zu denken 4 ").
Die Größenverhältnisse des Schiffs sind durch die Maße der 1737 erneuerten Holzdecke genau gegeben (43 Fuß lang und 23 Fuß breit) =
45 ) Bei der Württ. Landesbibliothek, Stuttgart, befindlich.
4G ) Anhang zum Gcistl. Lagerbuch der Pfarr Pletzschenau, S. 311.
47 ) Vgl. Manfred Eimer, Die romanische Chorturmkirche in Süd- und Mitteldeutschland, S. 9 ff.
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12,32 : 6,59 Meter 4 ®). Bei Zugrundelegung der Maße des oben beschriebenen Chorgewölbes ergibt sich, mit Einrechnung der Außenwände und der Chorwand, eine Gesamtlänge der Kirche von etwa 23 Rteter. Die Fenster, zum Teil erst aus späterer Zeit stammend 42 ), waren in der Größe nicht einheitlich. Rur acht gleichartige (60 Zentimeter Höhe und 31 Zentimeter Breite) sind erwähnt. Diese dürften als ursprünglich zum Bau gehörig anzusehen sein. Genannt sind zwei Kirchtüren: eine vordere und eine hintere. Von der ersteren sind die Rtaße erhalten: 4)4 : 7 Fuß (=1,29 : 2 Meter).
Biü Mitte des 18. Jahrhunderts war die Kirche ausgeffattet mit Kanzel, Altar und Taufstein; 1674 müssen sogar noch Nebenaltäre bestanden haben, denn bei Prüfung der Heiligenrechnung des genannten Jahres wird auch beanstandet, daß der Schreiner den „Fligel an das Crucisix Altärle" noch nicht gemacht habe®"). Die Größe des Hanptaltars ist nicht angegeben; erwähnt wird in den Baurechnungen nur dessen Ilmkleidung mit „zusammengeleimten neuen Tafeln". Demnach dürfte ein alter ursprünglicher Steinaltar in späterer Zeit mit Holz umkleidet worden sein. Auch der Taufstein ist in den Bauakten nicht genannt. Es ist aber in den Inventarien stets angegeben: „ein Tanfkäntlin samt dem Bekhet", ebenso „ein Tuch uff den Tausstein". Eine von den Handwerkern öfters erwähnte größerö Emporkirche ist wohl des Raummangels wegen zu jener Zeit in die Kirche eingebaut worden, als sämtliche Orte des Neichenbacher Amts noch zur Pfarrei St. Bartholomäus zählten.
Rach Abbruch der Kirche erlebte dessen Chorgewölbe, wie oben gezeigt, mit größter Wahrscheinlichkeit seine Wiedererstehung in einem Keller der Stadt Calw, das übrige Steinmaterial der Kirche blieb dagegen in Hirsau und wurde zum Bau des 1783 erstellten Hauses Rr. 29 51 ) verwendet. Das letztere geht aus den Gerichtsprotokollen des KlosteramtS ® 2 ) von 1788 einwandfrei hervor. Dort verlangt Jakob Völlnagel unter Anrufung des Hirsauer Klostergerichts von dem Strumpsweber Justus Ragcl in Hirsau eine Restsumme von achtundzwanzig Gulden für frühere Steinlieferung. „Der Beklagte Justus Nagel hierüber constituirt, legt einen accords-Brieff vom 2. Julii 1783 vor, craft dessen Jacob Völlnagel Ihm zu seinem Hauß-Bauwesen von dem zu Hirschau auf der Pletschenau erkaufften und abgebrochenen Kirchlen 200 Schuh quader-Mauer- und Niegelstein, soviel dazu nöthig auf den Bauplatz zu führen vor 43 Gulden versprochen hat und welche ermelter Völlnagel empfangen zu haben aigenhändig bescheint hat." Völlnagel macht demgegenüber geltend,
48 ) Ein württ. Fuß = 0,28649 Meter.
49 ) Größere Fenster: über der Kanzel, im Chor und in der Sakristei.
50 ) Protocolle über das Hayligen Capitalien; Rathausarchiv Hirsau. sl ) Nahe der Aureliuskirche
62 ) Beim Rathausarchiv Hirsau.
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