der jüngeren Aureliuskicche (geweiht 1071)H ist heute der einstige Bestand einer karolingischen Kirche gesichert. Die Zeitangabe für die Stiftung, wie sie nach der Hirsauec Überlieferung vorliegtH, wird dadurch bestätigt.
Bei den jüngsten Grabungen (1934/35), worüber ein Bericht noch nicht vorliegt, soll sich nach vorläufigen Angaben durch A. Mettler und K. WellerH gezeigt haben, daß das noch vorhandene Bruchstück der Kirche auf einem älteren Fundament aufgebaut ist. Das letztere wird nun als Überrest der Kirche von 830 und die im Innern der Kirche verlaufenden, von K. Klaiber und Gg. HagerH als karolingisch bezeichneten Fundamente zweier Längsmauern als Reste einer vor 830 bestehenden Kirche gedeutet. Rach dieser Annahme müßten vor der Gründung des Aurelius- klosterS schon zwei Kirchen an dieser Stelle, und zwar in unmittelbarer Nähe voneinander, bestanden haben, nämlich die im Gründungsbericht genannte, dem hl. Nazarius geweihte, und die am Ort der Klostergründung neuerdings angenommene Kirche. Sollte aber bei Überführung der Aureliusgebeine (830) am Gründungsort selbst schon eine Kirche bestanden haben, so wäre es unverständlich, warum der Schreiber des Gründungsberichts deren Vorhandensein verschwiegen haben sollte, während ec die Nazariuskirche deutlich angibE). Was aber noch schwerwiegender ist: die beiden Lebensbeschreibungen des hl. Aurelkus (die ältere etwa ums Jahr 900 entstanden)^) berichten ebenfalls nichts von einer am Ort der Klostergründung vorhandenen Kirche. Aus den Urkunden ist also außer dem NazariuSkirchlein eine vor 830 bestehende Kirche in Hirsau nicht nachzuweisen.
Als Stifter des Aureliusklosters von 830 ist nach der späteren Klostertradition und nach einem noch heute vorhandenen Gedenkstein (aus dem 14. Jahrhundert)^) ein Erlafrid, Vorfahre der Calwer Grafen, anzusehen. Die beiden Lebensbeschreibungen des hl. AureliuS nennen dagegen Bischof Noting von Vercelli (in Oberitalien) als Stifter. An der Echtheit der letzteren Urkunden ist nicht zu zweifeln, dagegen sind die Angaben des Codex Hirsaugiensis an manchen Punkten mit Vorsicht aufzunehmenH. Mit ziemlicher Sicherheit ist daher nicht Erlafrid, sondern der Alamanne Bischof Noting von Vercelli als Stifter des ersten Aureliusklosters an
2 ) Cod. Hirsaug. fol. 3.
s ) Cod. Hirsaug. fol. 2 und fol. 25.
4 ) A. Mittler, a. a. O. 8. 190 f. und K. Weller, a. a. O. 8. 86.
5 ) Vgl. Gg. Hager, Die karolingische Basilika in Hirsau und das Grab des Herzogs Berthold I. von Zähringen, Beil. z. Allg. Zeitg. 1892, Nr. 252, Beil. Nr. 212.
6 ) Cod. Hirsaug. fol. 2.
7 ) P. E. Munding, Verz. der St. Galler Heiligenleben und ihrer Handschriften in Cod. Sangall, Nr. 566 (Texte u. Arbeiten, herausg. durch die Erzabtei Beuron, 1918, Heft 3 u. 4, 8. 97).
8 ) Heute in der Marienkapelle aufgestellt.
9 ) Vgl. die beiden nicht übereinstimmenden Gründungsberichte fol. 2 und 25.
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zusehen. In jüngster Zeit hat Fr. Lutz in dankenswerter Weise die auf die Hirsauer Klostergründung bezüglichen Urkunden genauestens untersucht; er kommt dabei ebenfalls zu dem Schluß, daß nur Bischof Noting als Begründer des Aureliusklosters bezeichnet werden könne. Fr. Lutz möchte aber auch an dem im Codex Hirsaugiensis zum Jahr 830 genannten Stifter Erlafrid festhalten und schreibt diesem die Gründung eines Frauenklöstecleins zu^). Ein solches Frauenstift hat wohl zweifellos zur Zeit Abt Wilhelms (1069—1091) in Hirsau bestanden. Es wurde von diesem Abt an einen vom Mannskloster mehr entfernten Ort wegverlegt, worauf Lutz mit vollem Recht hinweisüZ. Die Annahme einer Gründung des Frauenstifts schon im 9. Jahrhundert findet jedoch nirgends eine Stütze. K. Weller^) hat nun darauf hingewiesen, daß nach den Sindel- jmger Annalen das von dem Ealwec Grafen Adalbert II. in Gindelfingen gegründete Doppelkloster (Mönche und Nonnen) einige Jahre nach dessen dortigem Bestehen nach Hirsau verlegt wurde. Diese Verlegung und nicht eine besondere Gründung am hiesigen Platze wird der Anfang des Hirsauer FrauenstiftS gewesen sein, das übrigens nur kurze Zeit hier bestand, da es schon Abt Wilhelm von Hirsau wegverlegt hat.
Ist ein Erlafrid von 830, abgesehen von der Hirsauer Überlieferung, überhaupt nachweisbar? Der kürzere Gründnngsbericht^) nennt Erlafrid einen frommen, in der Provinz Alamannien seßhaften Grafen und der größere Bericht^) kennzeichnet ihn als den Vater von Bischof Noting. Als solcher müßte er zur Zeit der Hirsauec Klostergründung schon ein ziemlich bejahrter Mann gewesen sein. Seine Frömmigkeit dürfte sich dann schon vor 830 durch Schenkungen an eines der beim alamannischen Adel bevorzugten Klöster gezeigt haben. Neben Lorsch war in dieser Gegend St. Gallen und besonders die Reichenau beliebt. Das Lorscher Schenkungsbuch nennt den im zweiten Abschnitt erwähnten Erlafrid, der 769 ein Gut in Gültstein schenkt, außerdem je einen Erlefrid zu den Jahren 772 15 ) und 774 16 ). Nach dieser Zeit ist dort ein Stifter dieses Namens nicht nachzuweisen. Die Schenkungsbücher der Reid)enau sind leider verloren. Wir besitzen aber in dem noch erhaltenen Verbcüdernngs- buch des dortigen Klosters 2 3 4 5 6 7 8 9 ^) eine wertvolle historische Fundgrube, auf deren Bedeutung besonders K. Beyerle^) verdienstvoll hingewiesen hat. Neben den Mönchslisten der verbundenen Klöster sind dort in zwei großen
*°) a. a. O. S. 65 ff. n ) Ebenda 8. 68 ff. la ) a. a. O. 8. 130 f.
13 ) Cod. Hirsaug. fol. 25.
") Ebenda fol. 2 a.
35 ) Cod. Lauresham. Nr. 1475 . le ) Ebenda Nr. 1831.
17 ) MG. Libri cönfraternitatum fol. 145ff.
ls ) Die Kultur der Abtei Reichenau, II, 8. 1107 ff.
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