Sind die Siedler der jüngeren Steinzeit zur Gewinnung des für sie kostbaren Feuersteins aus dem Gäu und Neckarland herübergekommen und haben den Nagoldstuß immer wieder überquert, so ist es immerhin denkbar, daß dem Fluß schon zu jener Zeit ein Name beigelegt wurde. Ob sich ein solcher jedoch durch die Reihe der auseinandersolgenden Kulturen (Hallstattmenschen, Kelten, Römer, Alamannen) fortgepstanzt haben könnte, ist fragliche). Hornstein und Karneol behielten aber auch in der Zeit der Metallwerkzeuge ihren Wert noch als Feuersteine im Sinne des Wortes. Bei der Freilegung des alamannischen Reihengräbersriedhofs in Holzgerlingen wurde in einer großen Reihe von Gräbern der Feuerstein als Grabbeigabe gefunden^). Wir dürfen daher aunehmen, daß die Orte des Feuersteinvorkommeus in den heutigen Kreise» Nagold und Calw ihre Bedeutung bis in die alamannische Zeit wenigstens teilweise behielten.
Zu welcher Zeit der Flußname Nagold auch entstanden sein mag, er muß von den Alamannen übernommen worden sein, denn er wird durchweg als vordeutsch bezeichnet'). Ast aber die Nagold für die vorgeschichtlichen Menschen besonders als Fluß im Gebiet der Feuersteinfundorte bedeutsam geworden, so ist auch zu erwarten, daß dies noch heute aus der Namenbildung ersichtlich ist. O. Schräder gibt unter dem indogermanischen Wortschatz an (baltisch): nagis — Feuerstein. Bei Berücksichtigung der verschiedenen von Norden und Osten nach dem heutigen Süddeutschland während der letzten drei Jahrtausende v. Chr. erfolgten Einwanderungen indogermanischer Völker^) ist ein Zusammenhang des Fluß- nameuS Nagalta (Nagold) mit nagis (— Feuerstein) nicht undenkbar. Der Name unseres Flusses wäre dann zu verdeutschen: Nagold — Fluß im Feuersteingebiet.
Diese Menschen der jüngeren Steinzeit, deren geistiges Leben uns leider noch ziemlich unbekannt ist, müssen dieGegend um Hirsau gründlich durchstreift haben. Nach der geologischen Karte ist bei dem nuroine halbe Stunde von Hirsau entfernten Ottenbronn das einzige bedeutendere Vorkommen von Hornstein im mittleren Muschelkalk. Gerade dort sowie an den benachbarten Orten Liebenzell und Monakam wurden Steinbeile gefunden*").
Die Bronzezeit, welche auf die Kultur der jüngeren Steinzeit folgte, hat in unserer Gegend keine nachweisbaren Spuren hinterlassen, dagegen die Zeit des ersten Auftretens von Waffen und Werkzeugen aus Eisen (Hallstatt-Kultur).
5 ) Nach O. Paret (Urgeschichte Württembergs, S. 85) wäre dies denkbar.
6 ) Walter Veeck, Die Alamannen in Württemberg, S. 190ff.
") Vgl. M. R. Buck, Oberdeutsches Flurnamenbuch, S. 188, und P. Goessler, Aus der Frühgesch. des Calwer Bezirks (Monatsschrift Württemberg, 1930, Nr. 2.). s ) Sprachvergleichung und Urgeschichte, S. 112.
8 ) Vgl. F. K. Günther, Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes, S. 99ff., und C. Schuchard, Vorgeschichte von Deutschland, S. 33 ff.
10 ) O. Paret in Nagolder Heimatbuch, S. 175 f.
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Am Ostrand unserer Markung sinden sich heute noch eine Reihe von Grabhügelgruppen, welche der mittleren Hallstattzeit (8. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) entstammen: je eine Gruppe von guterhaltenen Grabhügeln in den Waldabteiluugen „Langes Lächle" und „Schönbühl", unweit der Landstraße Hirsau—Althengstett; weniger guterhaltene bei Ottenbronn (Oberholz) und Simmozheim (Großer Stall). Andere Gruppen in einigen benachbarten Waldabteilungeu wurden im Lause der Zeit mehr oder weniger zerstört und sind heute kaum noch nachweisbar**). Wir sehen hieraus, daß zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. die Besiedlung des Schwarzwaldvorlandes schon bis dicht an die Ostgrenze der heutigen Hirsauer Markung vorgedrungen war. Auch die Fliehburg mit Ringwall am Rudersberg bei Calw ist in diese Zeit zu setzen.
Wie die Hallstattmenschen sind auch die Kelten, welche etwa vom vierten vorchristlichen Jahrhundert ab die Hauptbevölkerung im heutigen Württemberg darstellten, für unsere Gegend deutlich uachgewiesen, zwar nicht durch Grabhügel (die Kelten bestatteten ihre Toten bekanntlich in Flachgräbern), sondern durch Funde von Münzen uud Schmuckstücken. Die in Calw oder dessen näherer Umgebung gefundenen keltischen Münzen (2 Viertelstater) besinden sich heute im Münchner Münzkabinett, der zu Stammheim gefundene Stater im Münzkabinett Stuttgart*^). Aus zwei 4841 in der Nähe von Gechingen geöffneten Keltengräbern kamen acht bronzene Hohlringe (Hals- und Armringe) in die Stuttgarter Altertümersammlung*").
Unter dem Druck der nach Süden vordringenden Germanenstämme zog die keltische Bevölkerung aus der Gegend des heutigen Württemberg ab, setzte sich aber im ersten nachchristlichen Jahrhundert unter dem Schutze der Römer auch in unseren Gegenden wieder fest. Ein in Duntsandstein gearbeiteter Merkurkopf, gefunden nahe dem Hof Georgenau (bei Mött- lingen), sowie das auf den Neuhleäckern zu Stammheim gefundene Bunt- sandsteinrelief*H (zwei bewaffnete Krieger darstellend), sind nach P. Goessler*") eher von Kelten als von Römern gefertigte religiöse Bildwerke. Da die oben genannten Dronzeringe dem 4. bis 3. Jahrhundert v. Chr. zugeschrieben werden und noch zur Zeit der Besetzung des Landes durch die Römer keltische Landbevölkerung im Ostteil des heutigen Calwer Bezirkes mit ziemlicher Sicherheit anzunehinen ist, hätten An-
u ) Die Größe dieser Grabhügel ist sehr verschieden; der größte in der Gruppe „Langes Löchle“ hat einen Durchmesser von 30 Meter, bei einer Höhe von 1,60 Meter. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Hügel im Laufe der Zeit stark eingesunken sind.
12 ) Katalog Merzbacher 103.
1S ) Inv. 3052.
lä ) Ersterer im Garten des Hofguts eingemauert, letzteres in der Altertümer- samml. Stuttgart.
15 ) a. a. O. S. 84.
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