Hermann Wulzinger · Über die Hirsauer Atropin-Kur bei Parkinsonscher Erkrankung Homburg 680 übergegangen. Dies war für uns umso leichter, als es sich bei den beiden Kuren um ein ähnliches Wirkungsprinzip handelt, das Einzelalkaloid Atropin auf der einen, die Gesamtalkaloide der Belladonnawur­zel auf der anderen Seite. Weiter weist Dr. Römer in seinem Vortrag auf die Notwendigkeit vorsichtiger Eindosierung hin, warnt wegen des raschen Wirkungseintritts vor subkutaner Verabreichung durch Spritzen, bevor­zugt der milderen Anflutung wegen Tabletten vor Tropfen und macht auf Überdosierungserschei­nungen aufmerksam, erkennbar an Mundtrocken­heit, Appetitverlust und Abmagerung, an Stuhl­verstopfung bis zur Darmlähmung, an Erregungs­und Verwirrtheitszuständen mit Halluzinationen, an Merk- und Gedächtnisstörungen. Zwar könne man mit Atropin bzw. Homburg 680 keine Heilung erreichen, aber doch wesentliche Symp­tommilderungen und soziale Verbesserungen bezüglich Arbeits- und Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit(Besserung der Lebensqualität, würde man heute sagen). Einer seiner zunächst besonders hilfsbedürftigen Patienten habe nach der Atropinkur sogar die Autofahrprüfung bestan­den, ein anderer habe eine Anstellung mit Pensi­onsberechtigung gefunden und ein dritter sei bei der Musterung als wehrdiensttauglich befunden worden. Nur ein ganz kleiner Teil der Patienten spreche auf das Atropin gar nicht oder nur unter Überwiegen der Nebenwirkungen an. Im weiteren Verlauf dieser Übersicht macht Dr. Römer darauf aufmerksam, dass zu einer erfolg­reichen medikamentösen Parkinsonbehandlung auch unterstützende Therapieverfahren gehören: Massagen, Sport und Gymnastik, Arbeits- und Psychotherapie, Diät im Sinne einer ausgegli­chenen gemüse- und vitaminreichen und salzar­men Ernährung. Er fasst zusammen:Wenn wir auf dem Weg einer erfolgreichen Enzephalitis­behandlung mit der Belladonnawurzelkur auch einen großen Schritt vorwärts gekommen sind, so ist darum die Behandlung selbst nicht ein­facher geworden. Sie erfordert Geduld und Ausdauer von den Kranken, Erfahrung und Hingabe von Arzt und Pflegepersonal. Es ist oft mühevoll, die einzelnen Komponenten der Kur, Arzneidosis, Diät, Übung und Beschäftigung richtig aufeinander abzustimmen. Die Einstel­lungskur ebenso wie etwa später notwendig werdende Wiederholungskuren sollen darum immer stationär durchgeführt werden, am besten in besonderen klinischen Abeilungen. Vorbildcharakter spricht Dr. Römer in diesem Zusammenhang der italienischen Medizin zu, die dank der oben schon genannten großzügigen Unterstützung durch Königin Elena vielverspre­chende Erfolge errungen habe; in diesem Sinne habe in Deutschland die Errichtung der Köni­gin-Elena-Klinik in Kassel eine begrüßenswerte Nachahmung gefunden(diese anerkannte Spe­zialklinik für Parkinsonkranke gibt es bis heute, andere in Wolfach und auf der Insel Helgoland). Die Wertschätzung einer physiotherapeutischen Zusatzbehandlung sie gilt auch heute noch geht aus einer hektographierten und mit zahl­reichen Strichzeichnungen versehenen Schrift hervor:Krankengymnastik für Parkinsonkranke und Spastiker. Die Autorin Helene Siegler­schmidt arbeitete jahrelang als Krankengymnas­tin in der Klinik Dr. Römer; Dr. Helmuth Römer schrieb das Vorwort. Die internationale Anerkennung derHirsauer Atropinkur ist an einer holländischen Publikati­on zu erkennen:De Hirsauer Behandelingsme­thode van het postencephalitisch parkinsonisme - een klinisch en experimenteel psychologisch onderzoek von Jan Wuite, Assen NL,(das Erscheinungsjahr ist nicht genannt). In der(etwas unbeholfen übersetzten) deutschen Zusammen­fassung dieser Promotionsarbeit heißt es:Kapitel II skizziert die Entwicklung des in Hirsau ausge­bildeten Heilverfahrens. Auf Grund der pharma­kologischen Untersuchungen Bremer's aus dem Jahre 1924[] schritt Dr. Römer in das Hirsauer Sanatorium zur Behandlung seiner Patienten mit sehr hohen Atropindosen. Die hiermit erreichten überraschenden Erfolge sind 1929 zuerst von Anna Kleemann veröffentlicht worden. Und 141