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Ferne seinen Zauber gießt, die tiefe Einsamkeit nur durch das Säuseln der Blätter, das leise Rieseln des Flusses und den Gesang der Vögel unterbrochen wird, dann überkommt die Seele jenes sehnsüchtige Gefühl, das zwischen Friede und Heim­weh wechselnd die Quelle der Gesundheit und der geförderten Lebenskraft werden kann.

Die Burg selbst, jetzt sehr zerstört und zerfallen, muß ehedem recht fest gewesen seyn. Kommt man über die erwähnte» fünf Gräben, so befindet man sich in der Veste, die mit einer im Bogen gestellten, vier Fuß dicken, mit Schießscharten ver­sehenen Mauer beginnt, durch welche ein Thor in einen kleinen, dicht verwachsenen Vorhof führt, und auf deren nördlicher Ecke ein rundes Thürmchen steht. Innerhalb dieser Blauer stehen noch großartige, zum Thcil gegen 40 Fuß hohe Mauern der ehemaligen Schloßgebäude. Ein viereckiger Thurm an der Südseite ist ziemlich erhalten.

Begreiflich ist es, daß die Phantasie nicht nur seit alten Tagen beschäftigt war, die Trümmer wieder schöner zu erbauen, sondern auch diesen reizenden Ort mit ihren Gestalten gerne bevölkerte, und Sagen bildete.

Vor grauen Zähren hauste in Waldcck ein Raubritter, der unermeßliche Schätze zusammcngehänft- und in unterirdischem Verstecke mitten im Berge verborgen hielt. Ter Ritter und sein Geschlecht ist verschwunden, aber der Schatz liegt noch im Berge und wird von einem gespenstigen Hunde bewacht. In der Christnacht erscheint jährlich der Hund oberhalb der Erde und jagt dem einsamen Wanderer wilden Schrecken ein.

Aber auch der Geist der Tochter jenes Ritters wandelt in den Ruinen und ihren unterirdischen Gängen seufzend umher und harrt der Erlösung. Kindern, die Beeren suchten, und den Bewohnern des Waldecker Hofes erscheint sie von Zeit zu Zeit, bald als wunderbare, überirdische Jungfrau, bald als schöne, zahme Schlange mit einer goldnen Krone auf dem Kopfe.