Oskar Wössner · Ein Leben für Freiheit und Demokratiements gegen Frankreich kamen, ob aus der Zeitder Ruhrbesetzung oder aus der Erfahrung desErsten Weltkrieges, muss offen bleiben. DerStachel saß jedenfalls tief, denn auch nach 1945nahm er nie an Sitzungen des SPD-Parteivorstandes teil, wenn diese in der französischenZone abgehalten wurden.Parlamentarier in der Weimarer RepublikVon 1920 bis 1933 war Fritz Henßler Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Dortmund-Hördeund Vorsitzender des SPD-Bezirks WestlichesWestfalen. Mit diesen Ämtern ergab sich fastzwangsläufig, dass er auch in Parlamente gewähltwurde. 1924 gehörte er erstmals der Stadtverordnetenversammlung an. Innerhalb der SPD-Fraktion profilierte er sich in zahlreichen Gremien.Seine Fraktion musste sich einerseits der Polemikder bürgerlichen Parteien, andrerseits der kommunistischen Agitation erwehren. Für eineZusammenarbeit mit den„kommunistischenTohuwabohu-Politikern“sah Fritz Henßler keineMöglichkeit. Nachdem er 1925 zum Stadtverordnetenvorsteher aufgestiegen war, schritt erwiederholt gegen das„kommunistische Radaubedürfnis“ein. Die SPD blieb bei allen folgendenWahlen die stärkste Kraft im Stadtparlament,wenngleich das Ziel einer absoluten MehrheitUtopie blieb.Im Alter von 41 Jahren heiratete Fritz Henßlerseine langjährige Freundin und Verlobte EllaRichter, die 1920 im SPD-Büro gearbeitet hatte.Seit November 1929 war Henßler Mitglied desWestfälischen Provinziallandtages und arbeiteteauch intensiv im Vorstand des WestfälischenStädtetages mit. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise trafen das Revier besonders hart:Mit dem großen„Zechensterben“ waren bis1932 etwa 55% der Dortmunder Bergarbeiterarbeitslos geworden. Die öffentliche Fürsorgehatte bald ihre Leistungsgrenzen erreicht, undauf dem Hintergrund der finanziellen Notlageder Gemeinden scheiterte damit letztlich diesozialdemokratische Kommunalpolitik. Am 14.September 1930 wurde Fritz Henßler im Wahlkreis Westfalen-Süd in den Reichstag gewählt.Ein Reichstagskollege beschrieb ihn als„schlichten Mann im noch schlichteren Lodenmantel,der als einer der Stillen“ galt. Tatsächlich sindin den Reichstagsprotokollen keine Redebeiträgevon Henßler zu finden. In der Fraktion fiel erdagegen durch seine Arbeitsintensität auf. Indieser Zeit dürfte er auch Kurt Schumacherkennengelernt haben. Wiederholt versuchte erüber die Reichstagsgremien, zusätzliche Mittelfür die Ruhrgebietsgemeinden herauszuholen.Dabei wies er nachdrücklich darauf hin, dass diefinanzielle Restriktionspolitik der Reichsregierung gegenüber den Gemeinden schwere sozialeund politische Folgen haben würde:„Auchstaatspolitisch betrachtet, ist diese Situation äußerstunbehaglich und gefährlich. Freude können nurdie auf Zersetzung hinstrebenden Kräfte haben.“Ratlosigkeit und SelbsttäuschungAls Hitler zum Sprung in die Reichskanzleiansetzte und am 30. Januar 1933 schließlichzum Reichskanzler ernannt wurde, bewertetedas die sozialdemokratische„Volks-Zeitung“völlig falsch als normalen, demokratischenVorgang:„Was ist schon geschehen, dass einGrund zur Erregung geben könnte? Bisher garnichts.“ Dabei war die Erfahrungslage eine ganzandere. Die Absetzung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Preußens, OttoBraun, und dessen Innenministers, Carl Severing, im Juli 1932 war im Grunde ein Staatsstreich. Die SPD und die Gewerkschaftenhielten still, Widerstand regte sich nicht. Ratlosigkeit und tiefer Pessimismus wirkten auf dieAnhängerschaft demoralisierend. Letztlichführte diese Politik des Abwartens, des Nichthandelns und der Selbsttäuschung zu einemVerlust der Handlungsfähigkeit und Einflussnahme auf die politische Entwicklung. Die SPDwollte die Partei Hitlers auf parlamentarischemWege bekämpfen und setzte ihre Hoffnungenauf Neuwahlen, in denen sie aber schwereVerluste hinnehmen musste.170