Oskar Wössner · Ein Leben für Freiheit und Demokratie Fritz Henßler verbrachte den größten Teil seines Lebens in Dortmund. Er blieb aber immer seiner schwäbischen Heimat verbunden und besuchte die Eltern, soweit es seine spärliche Freizeit zuließ. Seine Herkunft konnte er wegen seines schwäbischen Dialekts ohnehin nie verleugnen, weshalb er von einem Reichstagskollegen als Ruhrschwabe bezeichnet wurde. Der Weg in die Sozialdemokratie Als Handwerkersohn blieb Fritz Henßler im damaligen Kaiserreich eine höhere Schulbildung versagt. Vom sechsten Lebensjahr an besuchte er die Evangelische Volksschule in Altensteig, ehe er nach der Schulentlassung im Jahre 1900 bei einer Druckerei in der Poststraße das Handwerk des Buchdruckers und Schriftsetzers erlernte. Diese Lehre war gewiss eine harte Zeit, denn in diesem Betrieb herrschte der Arbeitgeber über seine Gesellen, die aus Angst um ihren Arbeits­platz kuschten und oft bis in die Nacht blieben. Der Arbeitstag der Lehrlinge dauerte oft von 6 Uhr früh bis 8 Uhr abends. An einen Achtstun­dentag war nicht zu denken. Dennoch wuchs in diesem Klima von Unterdrückung in Henßler ein kritischer Geist. So machte er seinem Lehr­herrn wegen der unsozialen Arbeitsbedingungen wiederholt Vorwürfe, was diesen veranlasste, seinem Vater dietraurige Mitteilung zu machen:Ihr Fritz wird Sozialdemokrat. Anläss­lich einer Betriebsprüfung durch einen Gewer­beinspektor(etwa 1903/04) machte Henßler darauf aufmerksam, dass selbst Lehrlinge unter 16 Jahren bis zu 14 Stunden am Tag arbeiten müssten. Darauf erhielt der Lehrherr wegen Verletzung der Arbeitsschutzbestimmungen einen Strafbefehl. Dass Fritz Henßler dennoch die Lehre abschließen und die Gesellenprüfung mit der Notegut bestehen konnte, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass hier die Mecha­nismen der Kleinstadt griffen, denn schließlich kannte man sich ja unter den Gewerbetreibenden. Wie kam Fritz Henßler zur SPD? Durch das Bismarcksche Sozialistengesetz, das von 1878 bis 1890 wirksam war, wurde die Partei weitge­hend in die Illegalität getrieben. Zwar war sie zu den Reichstagswahlen zugelassen, aber in den Städten und auf dem Land konnten keine Parteistrukturen aufgebaut werden. So gab es in Altensteig und Umgebung kein einziges SPD­Mitglied, mit dem Henßler hätte in Kontakt kommen können. Niemand wollte sich zu diesen vaterlandslosen Gesellen bekennen, von denen oft alsTagediebe, die teilen wollen gesprochen wurde. Überhaupt war von politischem Leben im überwiegend protestantischen Nagoldtal offenbar kaum etwas zu spüren; die Bauern wählten den Bauernbund, die übrigen haupt­sächlich die Volkspartei. Drucker und Schriftsetzer waren in der Regel sehr belesen. Das galt auch für Fritz Henßler. Seine einzige Informationsquelle zur aktuellen Politik war dieFrankfurter Zeitung, die er auch in Altensteig bekommen konnte. Im Übrigen fällt auf, dass viele aus dem Druckergewerbe in der Frühphase der Arbeiterbewegung führende Posi­tionen einnahmen und auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der SPD zur Führungs­schicht zählten. So ist Fritz Henßlers Werdegang vom Schriftsetzer zum Redakteur bei Parteior­ganen, vom Funktionsträger in der Partei bis in parlamentarische Gremien geradezu exemplarisch für den Lebensweg eines Sozialdemokraten. Er selbst beantwortete die oben gestellte Frage ein­mal wie folgt: Wie ich den Weg zur sozialdemo­kratischen Partei gefunden habe, wird es bei vielen Sozialdemokraten gewesen sein. Ich wurde nicht angelockt durch das Programm, sondern beeindruckt durch bestimmte Persönlichkeiten. Das waren in erster Linie August Bebel(1840–1913) und der Württemberger Karl Hildenbrand(1864–1935). Ohne jemals eine SPD-Zeitung gelesen zu haben, hatte Henßler nach eigener Auskunft vor diesen Personen große Hochachtung und gewann die Überzeugung: Die kämpfen für das Recht des Arbeiters. Zu dieser Beurteilung trugen sicher auch die eigenen Erfahrungen während der Lehrzeit bei. Sein Eintritt in die SPD und in die Gewerkschaft des Deutschen Metallarbeiter­167