Oskar Wössner · Ein Leben für Freiheit und Demokratie zeit sprach Fritz Henßler offenbar kaum. Deshalb war aus diesem Lebensabschnitt lange nur wenig über ihn bekannt. Im Nachlass seiner Ehefrau Ella, die seit dem Tod ihres Mannes sehr zurück­gezogen lebte, fand sich allerdings ein Brief aus dem Gerichtsgefängnis Dortmund vom 7. Feb­ruar 1937, in dem er seine Erinnerungen an ein sorgenvolles Leben seiner Eltern niederschrieb, ein erschütterndes Zeugnis der Lebensumstände einer Handwerkerfamilie jener Zeit: Beiden war sozusagen in der Wiege nicht vorbedacht, dass einst ihr Leben hart in Mühe und Not sein wird. Von Haus aus, kleinbürgerlich gesehen, beide begütert. So besaß auch Vater Haus, Garten und etwas Äcker und Feld. Aber sein Gewerbe als Färber kleinhand­werklicher Art war rückläufig. Trotz Sparsamkeit und persönlicher Bedürfnislosigkeit überstieg der Verbrauch den Ertrag. Die Schulden stiegen und die Eltern konnten annehmen, daß sie im Alter, statt nun vom Ertrag ihrer langjährigen Arbeit leben zu können, Haus und Hof werden verlassen müssen. Während Mutter sich ins Beten flüchtete, wurde Vater immer verschlossener, immer wort­karger. Ich kann mich aus meiner Kindheit nicht erinnern, ihn auch nur einmal froh-lachend gesehen zu haben; ich konnte Stunden mit ihm zusammen sein, es wurde kein Wort mehr gesprochen als unbedingt erforderlich war; d. h. stundenlang kaum eine Silbe. Selbst das Familienleben vor meinem Gehen blieb in vielem meinem Wissen verschlossen, geschweige denn, daß mit ihm(und auch der Mutter) eine Unterhaltung über ferner liegende Fragen möglich gewesen wäre. Typisch: Ich war schon über 20 Jahre alt, da erfuhr ich, daß ich das 13. Kind meines Vaters bin. Ich wußte zwar, daß früher einige gestorben waren, doch die ganze Zahl war mir unbekannt. Und trotz allem: Vater war in seiner Art treu besorgt um mich. Daß seine starke Verschlossenheit zum Teil mindestens Folge der wirtschaftlichen Sorge war, ist auch daraus erkennt­lich, daß er im Alter, als er einerseits den Verlust von Haus und Hof etwas überwunden hatte und andrerseits ihm durch die Hilfe seiner Kinder ein materiell sorgenfreies Leben ermöglicht war, doch im Spätabend seines Lebens etwas auftaute, und aus dieser Zeit kann ich ihn mir auch etwas unterhalt­sam und dann und wann lächelnd vorstellen. Familie Henßler um 1900(von links) oben: Anna(*1887), Karl(*1880), Hans(*1877), Fritz(*1886), Caroline (aus 1. Ehe, 1871), unten: Martha(*1898), die Mutter Anna(*1853), Heinrich(*1895), der Vater Wilhelm Friedrich(*1844) 166