Joachim Schneider · 500 Jahre Hirsauer Annalen des Johannes Trithemius und ihr Bild vom Fürstendas Kloster Hirsau angehörte. Trithemius besuchteregelmäßig die General- und Provinzialkapitel derKongregation und trat dort häufig als Redner auf– so auch bei dem Privinzialkapitel, das 1493 inHirsau stattfand und zu dem er wohl auf Anregungdes Abtes Blasius eine diesem gewidmete Schriftüber den Niedergang des Mönchtums verfasste,den ‚Liber lugubris de statu et ruina monasticiordinis‘. Die Schrift sollte bei jeder künftigenZusammenkunft des benediktinischen Provinzialkapitels bei Tisch vorgelesen werden. Trithemiuswirkte aber, nachdem er schon 1490 eine praktische Anleitung zur Klostervisitation verfassthatte, auch immer wieder persönlich als Visitator,so 1498/99 ebenfalls in Hirsau mit dem generellenAuftrag, das dortige Kloster so oft wie es jetzt nötigsei zu visitieren. Drei Jahre lang hatten hier dieUnzuträglichkeiten zwischen Abt und Konventgedauert, infolge derer der Abt Blasius sogar eineZeit lang suspendiert gewesen war.10Angesichts dieses seines Engagements für dieBursfelder Klosterreform musste es überausschmerzlich für Trithemius sein, dass er als Abtin seinem eigenen Kloster Sponheim schließlichvöllig scheiterte und durch seine Brüder dort1505 zur Resignation gezwungen wurde. Diegenauen Ursachen dafür liegen bis heute imDunkeln. Eine Einladung König Maximiliansim selben Jahr, für diesen als gelehrter Historikertätig zu werden, lehnte Trithemius ab. DerWechsel nach Würzburg und die Übernahmeder Leitung des kleinen, unbedeutendenJakobsklosters dort konnte Trithemius freilichkaum über sein Scheitern in Sponheim hinwegtrösten – zumal seine berühmte Bibliothek dortaufgelöst und zerstreut wurde und damit für ihnund für die von ihm geliebte Wissenschaft fürimmer verloren war.11Die Pflege der Wissenschaft im Kloster und dieVerwirklichung einer strengen Regelobservanzhingen für Trithemius untrennbar zusammen.Zwischen Askese, Meditation und Studium waraus Trithemius‘ Sicht ein ausgewogenes Gleichgewicht herzustellen.12Da die Bursfelder Uniondie Pflege der klösterlichen Geschichtsschreibung zu einem ihrer Reformziele machte, lag esnahe, dass Trithemius auch auf diesem Feldselbst aktiv wurde. Es ging ihm dabei darum,dem seiner Meinung nach verwahrlostenMönchtum durch die Beschäftigung mit historischen Beispielen aus der Geschichte des Benediktinerordens eine ethische Grundeinstellungzu vermitteln, die die Zukunft des Ordens imSinne der Reform sichere.Entstehung der Kloster-Chronistik desJohannes Trithemius– 1495–1503 Chronicon Hirsaugiense(bis 1370)– 1495–1509 Sponheimer Chronik(bis 1509, Fortsetzung bis 1511)– 1509 Chronik des Würzburger Jakobsklosters– 1509–1514 Annales HirsaugiensesDer Anstoß zu einer eigenständigen historiographischen Tätigkeit kam für Trithemius wohl ausHirsau – die Rahmendaten zur Historiographiedes Sponheimer bzw. später Würzburger Abtesseien hier kurz in Erinnerung gebracht:131495begann Trithemius auf Bitten des mit ihmbefreundeten Abtes Blasius zunächst mit derArbeit an einer Hirsauer Klosterchronik.1500/1501 weilte der schon eingangs erwähnteHirsauer Prior, Bibliothekar und Historiker,Nikolaus Basellius, bei Trithemius in Sponheimund ließ sich dort von diesem in der griechischenund lateinischen Sprache unterrichten. Höchstwahrscheinlich war es auch Basellius, der Trithemius wichtige Sammlungen zur Klostergeschichtezugänglich gemacht hat – eine ältere Forschungsthese, die Klaus Schreiner anhand eines neuentdeckten, wahrscheinlich auf Basellius zurückgehenden Sammelcodex inzwischen zusätzlichstützen konnte.141503 unterbrach Trithemiusaber die Arbeit an dem bereits bis zum Jahr 1370geführten Werk, da Abt Blasius damals starb undTrithemius sich anscheinend nicht sicher war,107