Joachim Schneider · 500 Jahre Hirsauer Annalen des Johannes Trithemius und ihr Bild vom Fürstendass auch der Nachfolger an dem Werk Interessehätte und, vor allem, ob er ihn auch entsprechenddafür entlohnen würde, wie ein Briefwechsel mitdem Abt zeigt. Erst 1509 hat Trithemius danndie Arbeit an den Annalen wieder aufgenommenund diese, wie schon diskutiert, bis Ende 1513/Anfang 1514 abgeschlossen.Eng verbunden ist Trithemius‘ Hirsauer Klostergeschichte mit seiner zum Teil auch zeitlichparallel verfassten Sponheimer Chronik. Dieseist allerdings deutlich persönlicher gehalten, jasie nimmt partienweise autobiographische Zügean und wird zur Rechtfertigungsschrift desAutors hinsichtlich seines Scheiterns als Abt vonSponheim. Nachdem Trithemius seit ca. 1495zunächst an beiden Werken parallel gearbeitethatte, hatte er sich dann ab 1503 und insbesondere nach seinem überstürzten Weggang ausSponheim 1505 vor allem mit der SponheimerKlostergeschichte beschäftigt, die ihm geradedamals besonders nahelag, bevor er dann, nachderen Abschluss 1509, wieder zu der HirsauerGeschichte zurückkehrte.Trotz der schon angesprochenen, unterschiedlichen Akzentuierungen sind also beide Werkeeng miteinander verbunden und tragen auf denersten Blick einen sehr ähnlichen Charakter,gerade auch in der Zeitgeschichte, also für dieZeit des 15. und des frühen 16. Jahrhunderts.Kloster-, Ordens- und allgemeine südwestdeutsche sowie Reichsgeschichte gehen hier wie dorteine enge Verbindung ein. Die Hirsauer Annalennutzen dabei in diesem Zeitraum die Sponheimer Chronik in der Regel als Grundstock ihrerNachrichten. Doch gehen sie vielfach auch überdiese hinaus, weiten den Grundstock aus undfügen weitere Informationen hinzu, so dass hiermit den Hirsauer Annalen am Ende jedenfallsein wesentlich umfangreicheres – und, was nochim Einzelnen zu untersuchen bleibt, eventuellauch anders akzentuiertes Werk entstanden ist.Das Konzept des Trithemius, neben der Klostergeschichte ausdrücklich auch Reichsgeschichteschreiben zu wollen und beides eng miteinanderzu verbinden, ist ein neuer, aber in der Zeit desHumanismus durchaus nicht überraschenderAnsatz, als man die Beschäftigung mit„nationalen Eigentümlichkeiten“ als eine Aufgabe derIntellektuellen neu entdeckte. Trithemius entwickelt sein historiographisches Konzept im Schreiben an seinen Freund und Schüler, NikolausBasellius: Nicht nur über die Klostergeschichtehabe er geschrieben, sondern das Kloster solleKenntnis erhalten über die Geschichte des gesamten deutschen Reiches(Ann. II, 3). Im Widmungsschreiben an den Abt führt Trithemius aus(Ann. II, 6), einer der Gründe, warum das Werkihn so lange beschäftigt habe, sei der, dass diedeutsche Geschichte(Germanorum res gestae)überweite Strecken hin bisher nicht geschrieben undnur ungeordnet überliefert sei. Es sei Trithemius‘Absicht, wie der Abt wisse, zwischen die Tatender Hirsauer Äbte das einzuschieben, was überdie Geschichte der deutschen Nation der Erinnerung wert sei.Germani sumus, in Regno Germaniae vivimus:„Wir sind Deutsche, leben imdeutschen Reich.“ Die Geschichtsschreiber deranderen Nationen würden regelmäßig dieGeschichte ihrer jeweiligen Nation schreiben.Angesichts dessen sei es doch nur eine Selbstverständlichkeit, nun endlich auch von deutscherSeite her das zu tun, was hier bisher viel zu seltengeschehen sei. Grund dafür sei eine gewisseBildungsferne und auch ein spezifischer Materialismus bei den Deutschen – und insbesondere beiden deutschen Fürsten, die sich daher nicht umihren Nachruhm kümmerten. Eigentlich kenneer, Trithemius, zum gegenwärtigen Zeitpunktnur zwei Fürsten – die freilich ungenannt bleiben–, die in diesem Punkt anders eingestellt seien.Im Anschluss entwickelt Trithemius dann eindurch und durch topisch, formelhaft, geprägtesLob auf den Wert der Geschichte und derGeschichtsschreibung, verweist auf deren großeBedeutung als eine Lehrmeisterin, die dem Lesergute und schlechte Beispiele vor Augen führe.Tugendhafte Fürsten aber und Männer, dielobenswerte Taten vollbringen und unter dieTrithemius selbstverständlich und ausdrücklichden Hirsauer Abt zählt, haben immer den Wert108