Joachim Schneider · 500 Jahre Hirsauer Annalen des Johannes Trithemius und ihr Bild vom Fürsten handschriftlichen Überlieferung, nach irrtüm­licher Korrektur des fehlerhaften Datums aus dem Druck von 1590 auf den 31. Dezember 1514 datiert und daher die Fertigstellung des Werkes erst fürEnde 1514 angenommen. 4 Entscheidende Bedeutung kommt jedoch dem Brief des Autors Trithemius an den Hirsauser Mönch und Bibliothekar Nikolaus Basellius vom 12. April 1514 zu(Ann. II, 3–4). Trithemius schlägt hier seinem Schüler für eine künftige Abschrift der beiden Bände der Annalen, die Trithemius von Basellius offenbar erwartete, unter anderem einige terminologische Korrek­turen im Text vor; zudem möchte er den Jahres­wechsel immer am 1. Januar gesetzt sehen und nicht zum Weihnachtsfest am 24. Dezember, wie dies dem älteren Brauch entsprach, ein Hinweis, der übrigens auch hinsichtlich der Zuordnung der beiden auf den 31. Dezember gesetzten Datierungen zum Jahr 1513 in unserem Zusam­menhang Sicherheit gibt. Der Brief vom April 1514 setzt aber jedenfalls voraus, dass der zweite Band der Annalen zum Zeitpunkt des Empfangs des Briefs bereits vollendet war und dem Basellius vorlag. Zu April 1514 passen auch die weiteren Datierungselemente des Briefes an Basellius. Denn im April 1514 hat der am 1. Februar 1462 geborene Trithemius inzwischen das 52. Lebens­jahr vollendet, genau wie es der Brief verzeichnet, während er sein Schriftenverzeichnis zum 31. Dezember 1513 eigener Angabe zufolge noch als 51jähriger abgeschlossen hatte. Damit waren die Annalen also im Wesentlichen Ende 1513 bereits abgeschlossen. In den ersten Wochen des folgenden Jahres sah Trithemius dann sein Werk wohl noch einmal durch und fügte die Schlussschrift an, die er ohne genaue Tagesangabe in das Jahr 1514 sowie in das elfte Abtsjahr des Johannes Hannßmann datierte. Diese letztere Angabe passt sowohl zu Ende 1513 wie auch in das laufende Jahr 1514, nicht aber zum 31. Dezember 1514. 5 Spätestens im April 1514 dürfte der zweite Band bereits in Hirsau angekommen sein. Der Brief an Basellius vom 12. April war entweder eine Art Begleitschreiben zur richtigen Benutzung des Buches oder eine kurz nach Absendung des Buches nach Hirsau hinterher geschickteGebrauchsanweisung. Johannes Trithemius: Leben und Historiographie Im schon mehrmals erwähnten Widmungsschrei­ben an den Hirsauer Abt Johannes Hannßmann (Abt von 1503 bis 1524) legt Trithemius beredtes Zeugnis ab von den Mühen, die ihm die Fertigstel­lung dieses Werks verursacht habe(Ann. II, 5–8): Die Auftraggeber erwarten die Fertigstellung, während den Schreibenden bereits Überdruss packt über Materialsammlung und Vorarbeiten, während er sich die Nächte um die Ohren schlägt, die Mahlzeiten am Schreibtisch zu sich nimmt und die dauernde Beschäftigung mit dem Stoff ihn schon bis in den Schlaf verfolgt. 54 Monate habe Trithemius ohne Unterlass an dem Werk gearbei­tet, seine Arbeit daran in all dieser Zeit nie vernach­lässigend. Als Zeugen seiner Mühen ruft er seine Brüder im Schottenkloster auf, aber auch Würz­burger Kleriker und Bürger, die er aus Zeitmangel lange habe links liegen lassen müssen. Und wenn doch jemand zu ihm vorgedrungen sei, so habe man ihn niemals müßig angetroffen, sondern stets mit den Hirsauer Annalen beschäftigt. Ja, Trithe­mius sei bis an den Rand seiner Schaffenskraft gegangen und darüber hinaus: Nicht nur seine äußere Erscheinung habe gelitten, sondern er habe auch seinen Körper und seine Kräfte durch allzu lange Arbeitssitzungen geschwächt und sich gar Krankheiten über der Arbeit zugezogen. Klaus Arnold hat diese letzten Bemerkungen, im Gegensatz zum Vorhergehenden, durchaus nicht topisch oder gar humorvoll verstanden, sondern auf das vergleichsweise fortgerückte Alter des Autors hingewiesen, der nur noch zwei Jahre zu leben haben sollte. Angesichts dieser nur noch kurzen Lebensspanne, die dem Autor blieb, werdeauch ein Mensch unserer Zeit nicht ohne Bewegung die beiden Bände in die Hand neh­men, die in kalligraphischer Handschrift eben­mäßig Seite für Seit gefüllt und mit seinem Lebensschicksal so eng verbunden sind. 6 105