Eckhart Kern · Nagold ist seit 1363 württembergischnet aber im rechtsrheinischen Territorium Württembergs das Amt Nagold in die chronologischeKette ständiger württembergischer Gebietserweiterungen ein. Der Erwerb der Herrschaft Nagoldist damit einer der vielen Mosaiksteine beimAufbau eines sich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ständig vergrößernden württembergischenHerrschaftsgebietes.Ergänzend sei angefügt, dass Jahrhunderte später, als sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation auflöste, das Herzogtum Württemberg auf einen Schlag einen weiteren riesigenGebietszuwachs erfuhr. Es profitierte zweifachvon der Napoleonischen territorialen Gebietsreform, einmal durch seine Rangerhöhung zumKönigreich(1806), zum andern durch eineVergrößerung seines Staatsgebietes und seinesStaatsvolkes um das Doppelte.7Die dazugewonnenen Gebiete werden als neuwürttembergischbezeichnet.Nagold auf dem Weg in die ModerneNagold gehört zu den sogenannten altwürttembergischen Orten. Die ehemals hohenbergischeResidenzstadt war auch unter württembergischerHerrschaft wirtschaftlicher, administrativer undkultureller Zentralort für ihren Amtsbezirkgeblieben. Vom späten Mittelalter bis ins18. Jahrhundert standen an der Spitze der württembergischen Ämter meist Vögte adliger Herkunft, immer häufiger aber auch solche aus der„bürgerlichen Ehrbarkeit“, sogenannte„unedleAmtleute“. In der häufig benutzten Formel„Vogt, Bürgermeister, Gericht und Rat derStadt“ wird der Kreis derjenigen Personenbeschrieben, die in den altwürttembergischenAmtsstädtchen das Sagen hatten. An der Amtsspitze stand der„Vogt“. Das Wort„Gericht“meinte eine Bürgervertretung der vornehmen,angesehenen Bürger, die die Stadtregierung unddie Kriminalgerichsbarkeit ausübten. Der„Rat“repräsentierte die weitere bürgerliche Gemeinde.Die„Bürgermeister“ leiteten das städtische Rechnungswesen. Als wichtige Institution war dieBedeutung der zumeist studierten Stadt- undAmtsschreiber seit der Zeit von Herzog Christoph ständig gestiegen. Sie verdienten oft mehrals die Oberamtmänner.8Bis in das 19. Jahrhundert war Nagold eine aufdiese Weise regierte, altwürttembergische Amtsstadt. Der dazugehörige Amtsbezirk umfasstenach der Oberamtsbeschreibung von 1862 vierweitere Städte(Altensteig, Berneck, Haiterbach,Wildberg), 14 Pfarrdörfer und 19 Dörfer.Nagold gehörte damit über Jahrhunderte zumTypus der für Württemberg charakteristischenKleinstadt, als deren Merkmale natürlich dieStadtmauer und das Marktrecht sowie engsteräumliche Verhältnisse(1835 zählte die Stadtnur 323 Hauptgebäude) und eine ärmlicheBevölkerung von Ackerbürgern zu rechnen sind.Als Zuerwerb waren die meisten dieser Ackerbürger auf die Ausübung eines Handwerksangewiesen. Im Unterschied zur jahrhundertelang reichen Stadt Calw gab es in der StadtNagold bis zu dem Beginn der Industrialisierung im Oberen Nagoldtal um die Mitte des19. Jahrhunderts nur wenige reichere Kaufleuteund Handelsherren.Das neu entstandene, vergrößerte württembergische Königreich entwickelte zu Beginn des19. Jahrhunderts eigenständige Verwaltungsstrukturen. Eine Gebietsreform schuf„65 Oberämter von durchschnittlich jeweils 20 000 Einwohnern“.9Nagold war von nun an für 128 Jahreeiner dieser 65 württembergischen Zentralorte.Ohne Mitspracherecht wurde die Stadt im Jahre1938 dem neugestalteten Kreis Calw eingegliedert und verlor damit ihren Oberamtssitz. Dienationalsozialistische Landesregierung hattenämlich mit Wirkung vom 1. Oktober 1938durch ein Gesetz über die Landeseinteilung dasLand in 34 Land- und drei Stadtkreise umgestaltet. Nagold hatte damit seine jahrhundertalteZentralitätsfunktion weitgehend abgeben müssen. Ein Antrag des Nagolder Gemeinderats anden Landtag vom 11. September 1948 aufWiederherstellung der Kreisverwaltung Nagoldhatte keinen Erfolg.60