Ulrich Boeyng · Zwischen Stauwehr und Steckdose die nach und nach durch kompakte FertigteilEinheiten ersetzt werden. Allerdings sind im Landkreis Calw viele dieser E-Werke mit ihrer technischen Ausstattung und ebenso viele Trafostationen als technische Kulturdenkmale i. S.§ 2 Denkmalschutzgesetz(DSchG) erfasst. Die mit der Unterschutzstellung verknüpfte Erhaltungsforderung im öffentlichen Interesse birgt naturgemäß Konfliktpotential. Ein unter Umständen zähes Ringen um den Erhalt dieser Anlagen ist zwischen den Eigentümern der E-Werke und den Denkmalschutzbehörden programmiert. Hierbei geht es auf der Betreiberseite vor allem um die Wirtschaftlichkeit der StromErzeugung und Verteilung, während es auf der Seite der Denkmalpflege nicht nur um den musealen, sondern möglichst um den„operationalen Erhalt“, d. h. um die Strom produzierende Weiternutzung der alten Anlagen und ihrer technischen Ausstattungen geht. Die Entwicklung der Stromerzeugung und Verteilung in Württemberg Anders als im angrenzenden Großherzogtum Baden war man im Königreich Württemberg in den Anfangsjahren der Stromerzeugung neben der Nutzung der Wasserkräfte vor allem auf fossile Energiequellen angewiesen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mussten die stromerzeugenden Generatoren durch Dampfmaschinen, Gasöl- oder Dieselmotoren angetrieben oder die vorhandenen Wasserturbinen im kontinuierlichen Betrieb durch Motoren unterstützt werden. Wegen der damit verbundenen hohen Energiekosten blieb die Stromerzeugung zunächst auf große Städte mit einem großen Abnehmerkreis bzw. auf finanzkräftige Unternehmer beschränkt, die den Strom meist für den Eigenbedarf ihrer Mühle oder einer Fabrik nutzten. So nahm der württembergische Unternehmer Paul Reisser(1843–1927) bereits 1882 in der Stuttgarter Marienstraße die erste deutsche Blockstation zur Versorgung eines Stadtbezirks in Betrieb. 1 Die kleineren Landstädte zögerten in diesen frühen Jahren oft, eine Stromerzeugung aus Mitteln der öffentlichen Hand zu finanzieren. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurden viele der privat entstandenen E-Werke von den Kommunen in Eigenregie übernommen. In den umliegenden Landgemeinden kam die flächendeckende Versorgung dagegen kaum voran, da der weit verstreute, meist landwirtschaftlich geprägte Abnehmerkreis zu klein und die zusätzlichen Investitionen in die Verteilung des Stroms zu hoch waren. Daher schlossen sich kurz nach Jahrhundertwende etliche dieser kleineren Kommunen in Gemeinde- und Bezirksverbänden zusammen, um mit gemeinschaftlich finanzierten Überlandwerken die Strom-Erzeugung und vor allem die Strom-Verteilung auf dem Land voranzutreiben. Der erste Zusammenschluss auf genossenschaftlicher Basis war im September 1905 die„Elektrische Kraftübertragung Herrenberg e. G.“. Im Mai 1907 schlossen sich in Neubulach 24 Gemeinden zum„Elektrizitätswerk für den Bezirk Calw“ zusammen, das 1913 in„Gemeindeverband Elektrizitätswerk Teinach-Station“(GET) umbenannt wurde. Im Oktober 1909 schlossen sich in den umliegenden Landkreisen 22 Gemeinden zum „Gemeindeverband Elektrizitätswerk Enzberg“, sowie im Dezember 1909 die Oberämter Ravensburg, Tettnang und Wangen zum Bezirksverband„Oberschwäbische Elektrizitätswerke“(OEW) zusammen, dem Anfang 1910 weitere 9 Oberämter beitraten. Kennzeichen dieser Gemeindeverbände war eine am Gemeinbedarf und nicht an der Gewinnoptimierung ausgerichtete Strompreispolitik. In den ersten Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entstand in Gebieten, in denen nicht kommunale, sondern private Stromversorger solche Überlandzentralen betrieben, eine weitere Art von Zweckverbänden, in denen sich Gemeinden oder ganze Amtsbezirke zu Stromabnehmer-Verbänden zusammenschlossen. Ihr Ziel war, die Interessen der Stromabnehmer gegenüber den Stromerzeugern zu vertreten sowie möglichst die Übernahme der privaten Überlandwerken oder 24