Leonid Kanter · Das erste Jahr der französischen Besatzung im Landkreis Calw dorthin zu beordern. Bereits am 24. Oktober 1945 befahl Frénot, dass im Calwer Kino sechs Vorstellungen pro Woche, zwei Mal für Deut­sche, zwei Mal für Franzosen und zwei Mal für beide stattfinden sollen. Darüber hinaus sollten für die Jugendlichen Kinderfilme gezeigt wer­den. Der siebte Tag wurde für Theaterauffüh­rungen vorgesehen. In Zeiten größter Not waren Kino- und Tanzbesuche gute Möglichkeiten, dem Elend des Alltags für kurze Zeit zu entkom­men. Frénot und Wagner versuchten nicht nur, mit kulturellen Angeboten die Jugend vor Lange­weile unddummen Gedanken zu bewahren, sondern eine gute Beziehung zur Jugend aufzu­bauen und diese auch zu pflegen. So ist Wag­ners Notiz zu entnehmen, dass Frénot am 24. Februar 1946 die Calwer Jugend im Kino zu sprechen wünschte. Am gleichen Tag sprach auch Wagner vor der Calwer Jugend in der Turnhalle. Die Versammlung der Jugend über­schnitt sich mit den anti-französischen Schrift­zügen, die Unbekannte in Calw angebracht hatten, so dass Wagner diesen Vorfall gesondert zur Sprache brachte. Er appellierte an die Tugenden der Jugendlichen und bat diese, die im Augenblick noch intakte Beziehung zur Besatzungsmacht im Allgemeinen und zum Gouverneur im Besonderen nicht weiter zu belasten. Anschließend demonstrierte Wagner seinen guten Willen und unterbreitete jedem das Angebot, zu ihm zu kommen, sollte jemand mit den Maßnahmen seiner Verwaltung nicht einverstanden sein. Am nächsten Tag äußerte Frénot in der Bespre­chung mit Wagner den Wunsch, für die Calwer Jugend einen Ball zu veranstalten. Bereits zwei Tage später bat wiederum Wagner den Gouver­neur, ein Kostümfest für die Jugend zu geneh­migen. Am Sonntag, den 3. März 1946, konnten die Jugendlichen durch die Entrichtung von je zwei Reichsmark und drei Stück Holz am Kostümfest teilnehmen. Anfang März genehmigte Frénot vier Sportver­eine im Landkreis Calw. 51 Drei davon hatten einen christlichen Hintergrund, während der Verein der Jungen Schwaben von Linkskreisen aufgezogen wurde. Somit konnte zwar in einem bescheidenen Umfang die Jugend in Sportvereinen Kontakte knüpfen und ihren sportlichen Interessen nachgehen. Auch die Kinder wurden herangezogen zum Schuttaufräumen. AlsBelohnung folgte das Kinderfest. Ende Juni 1946 fand eineMorgenfeier zu Ehren von Hermann Hesse statt. Der berühm­teste Calwer lebte seit 1919 im Tessin in der Schweiz, wo viele Erzählungen und Romane entstanden. Durch seine entschiedene Ableh­nung des Nationalsozialismus wurde die Zeit des Exils für Hesse zu einer schweren Zeit, da er unter den verbrecherischen Vorgängen in seinem Vaterland stark litt. Die Veranstaltung sollte die 72