Leonid Kanter · Das erste Jahr der französischen Besatzung im Landkreis CalwTreibstoff.28Darüber hinaus war in den Wintermonaten mit den widrigen Bedingungen aufgrund der Witterung zu kämpfen. Die wichtigsten Straßen waren mit Schneematsch und Glatteis bedeckt, und zusätzlich gab es kaumStreumaterial.29In einem Brief vom 8. Oktober 1945 vonWagner an Frénot schilderte er drastisch dieTransportsituation im Landkreis.30Zunächsteinmal fällt der geänderte Tonfall Wagners auf.Die Formulierungen sind nicht mehr durchgehend unterwürfig, sondern lassen WagnersSelbstbewusstsein erkennen, wenn er zu Beginndes Schreibens auf seinen Posten als Landrat,des„höchsten politischen Beamten“, hinweist.Man merkt Wagner die Unzufriedenheit aufgrund verschiedener Sachzwänge an, welche erim Rahmen seiner Möglichkeiten dem Gouverneur vorbringt:„Als besonders belastend beidieser Situation kommt noch hinzu, dass aufGrund Ihres weiteren Befehls, den ich in derAnlage beifüge, meine Fahrbereitschaft genötigtist, die vier schönsten und größten, qualitativbesten Lastzüge mit einer Tonnage von insgesamt 38 Tonnen einzig und alleine der FirmaKrauth und Co, Höfen/Enz, sowie den übrigenSägewerken des Enztals, zur Heranführung vonRundholz zur Verfügung zu stellen.“ Die Deutlichkeit von Wagners Worten beruht auf einemInteressenskonflikt zwischen Lebensmittelversorgung auf der einen und den wirtschaftlichenInteressen bzw. Reparationsforderungen auf deranderen Seite.31Dazu gehörten beispielweisegroße Holzeinschläge im Wald(„Franzosenhiebe“) oder die Beschlagnahme von Industriegütern.Am Ende setzte sich Wagner durch und Frénotakzeptierte, dass der Ernährung die höchstePriorität zustand. Das geht aus einer Besprechungsnotiz des Landrats vom 24. Oktober1945 hervor.32Frénot versprach der FirmaKrauth& Co. die Rückgabe der vier Lastzügefür den Langholztransport nach der Beendigungder Kartoffelkampagne. Deutlicher kann diePrioritätenverteilung nicht ausfallen.Die Durchsicht der von Wagner geführtenAkten lässt auf eine hohe Priorität der Ernährungssituation schließen. Keinem anderenThema wurde so viel Aufmerksamkeitgeschenkt.33Die Sicherung der Ernährung standbei der Bevölkerung und bei der Politik ganzoben auf der Agenda.Wie prekär die Nahrungsmittelversorgung war, zeigt dieserAufruf zum Durchhalten von Landrat Wagner. Darausgeht sein unermüdlicher Einsatz hervor mit dem Ziel, miteinem Bündel verschiedener Maßnahmen die Situationallmählich zu verbessern.Die Amtszeit des Landrates begann mit einerguten Meldung in Bezug auf die Kartoffelernte.Diese sei so gut ausgefallen, dass Frénot dieGründung„ein[es] eigene[n] Büro[s] für Kartoffeleinlegung und Verlagerung“ anordnete.Zusätzlich würde jeder Bürger – ausgenommenSelbstversorger und Kinder unter drei Jahren –68