Leonid Kanter · Das erste Jahr der französischen Besatzung im Landkreis Calw Die Ernährungssituation Die Lebensmittelversorgung stellte mitunter die größte Herausforderung 22 für die Besatzer und die Bevölkerung dar. Für die französisch-besetzte Zone kam erschwerend hinzu, dass die hier stationierten Soldaten mitsamt der Verwaltung und ihrer Familien ihre Lebensmittel direkt aus der Zone 23 bezogen. Somit musste die Bevölke­rung nicht nur ihre Lebensmittelversorgung, sondern die der Besatzer ebenfalls sicherstellen. Darüber hinaus musste die Kreisbevölkerung in unregelmäßigen Abständen Großvieh und Getreideabgaben leisten. Kreisdiagramm über die Flächennutzungsarten im Landkreis Calw, entworfen von Landrat Emil Wagner Mächte(USA, Vereinigtes Königreich, Frank­reich und Sowjetunion) durch die Berliner Erklärung die oberste Regierungsgewalt über Gesamtdeutschland. Diese lag beim Alliierten Kontrollrat mit Sitz in Berlin. Danach kamen auch noch die Zonenverwaltungen. Die Folgen des Krieges Dertotale Krieg hatte unerbittlich seinen Tribut gefordert: Neben der Zerstörung von Immobilien und anderem Besitz, war der Verlust naher Ver­wandter und enger Freunde für viele Überlebende des Krieges kaum zu ertragen. Ausweislich der Kriegsopferlisten im Stadtarchiv Calw waren allein aus Calw Hunderte von Soldaten an den Fronten gefallen, oder sie wurden verwundet, von den teils lebenslangen psychischen Beeinträchti­gungen der Überlebenden ganz zu schweigen. In der Literatur schwanken die Angaben über die durchschnittlichen Kalorienwerte, die der Bevölkerung täglich zustand 24 im Jahr 1946 zwischen 600 kcal und 1400 kcal pro Erwach­senem. Die tatsächliche Kalorienzahl dürfte bei 1000 kcal pro Erwachsenem gelegen haben. Die eigenständig durchgeführten Berechnungen anhand der Zuteilungstabelle des Calwer Kreis­ernährungsamtes bestätigen diese Vermutung. Die Grundlage der Berechnung bildeten die Angaben zu Kohlenhydraten(Faktor 4; Brot und Zucker), Eiweißen(Faktor 4; Fleisch) und Fetten(Faktor 9). Selbst verglichen mit dem letzten Kriegsjahr 1944/1945 lag hier eine Hal­bierung der Rationen vor. 25 Obwohl Kalorien­angaben keine absolute Aussagekraft besitzen, unterstreichen sie die allgegenwärtige Not der Nachkriegszeit. 26 Die systematische Unterernäh­rung führte zu diversen Erkrankungen insbeson­dere zu Tbc. Diese Tatsache führte neben der Entstehung des Schwarzmarktes zur drastischen Verschlechterung der Stimmung im Kreis, sodass Landrat Wagner wiederholt die Bevölke­rung mit Hinweis auf die schwere Situation ermahnen musste. Bereits im Sommer 1946 musste Wagner aufgrund drohender Unruhen wegen zu geringer Fettzuteilungen reagieren. 27 Die Lebensmittelknappheit im Kreis und die schlechte Transportsituation hingen eng mitein­ander zusammen. Zum einen waren große Teile der Infrastruktur(Straßen, Brücken, Eisenbahn­linien) zerstört, zum anderen fehlten LKWs und 67