Hansjörg Straub · Verhängnisvoller Fallschirmsprung 1944 bei Schietingen Grundrechte in Deutschland außer Kraft gesetzt hatte, wurde er inSchutzhaft genommen und damit der Willkür der Geheimen Staatspolizei überantwortet. Er hatte das Glück, bereits nach fünf Tagen wieder entlassen zu werden, aber die Auflage, das Land Baden für immer zu verlassen, machte eine Rückkehr als Schulleiter nach Salem unmöglich. Im Juli 1933, nach vier Monaten, die er in Berlin verbrachte, emigrierte Kurt Hahn nach England. Frank Chamier musste als Ober­stufenschüler der Schlossschule von der Verhaf­tung des Schulleiters gehört haben, als aufge­weckter junger Mann die Brisanz der Verände­rungen gespürt und als weltgewandter Reisebe­gleiter seiner Mutter die Rückwärtsgewandtheit dieser politischen Entwicklungen wahrgenom­men haben. In diesem Land waren für einen wie ihn die Zukunftsaussichten düster. Er packte seine Koffer, verließ die Familie in Süßenmühle und begab sich auf eine Reise nach England. Vielleicht, so hoffte er, könnte sein Vater ihm weiterhelfen, auch wenn dessen Kontakt zur Familie schon seit Jahren abgebrochen war. Frederic Chamier führte nach der Scheidung von seiner Frau Elena im Jahr 1911 offensichtlich ein unstetes Leben in England. In seinen letzten Jahren pflegte er eine enge Beziehung zur 1903 geborenen Georgina Constance Sadler, die er in seinem Testament als seineFreundin und vertraute Begleiterin bezeichnete. Georgina war bereits geschieden, hatte einen Sohn aus dieser Ehe und lebte in Bradford Peverell im Süden Englands. mier blieb fürs Erste bei der Lebensgefährtin seines Vaters in England, in dem Haus in Bradford Peverell, dessen TelefonnummerUp­way 282 einige Jahre danach noch eine beson­dere Bedeutung bekommen sollte. Er heiratete sie am 13. September 1934, und zwei Jahre danach brachte sie eine Tochter namens Frede­rica Anne zur Welt. Die Ehefrau Georgina, Tochter eines Hotelbe­sitzers, war wohlhabend, und Frank war als Geschäftsmann tätig, wie seine Nachkommen sagten. Zu seinem beruflichen Erfolg trugen sicher auch seine charmante Art, seine Weltläu­figkeit und seine Sprachkenntnisse bei. Die Verbindungen zu den Angehörigen blieben eng, sie reisten gemeinsam in den Süden Europas und kehrten auch gerne in Süßenmühle am Bodensee ein. Aber der Beginn des Zweiten Weltkriegs machte zunichte, was er sich aufgebaut hatte. Die Kontakte nach Deutschland zu erhalten wurde schwierig, geschäftliche Beziehungen brachen ab, die Perspektiven für den 30-jährigen jungen Familienvater wurden düster. England war zur zweiten Heimat geworden, und das Land, aus dem er stammte, löste schon wieder einen Krieg aus. Der neuen Heimat konnte er seine Dienste anbieten, aber zu einem hohen Preis. Bevor er diese antrat, nahm er seiner Frau das Versprechen ab, dass sie niemals über den Job sprechen dürfe, den er in den folgenden Jahren ausüben würde. Daran hielt sich Frank Chamiers Georgina bis zu ihrem Tod im Jahr 2005. Sie wurde 102 Jahre alt. An dem Ort traf Frank Chamier nach seiner Ankunft in England nicht mehr seinen Vater an, weil der bereits zwei Monate zuvor, am 25. Januar 1933, gestorben war. Aber dessen Lebensgefährtin gebar wenige Wochen danach am 11. März einen Sohn. Es muss für Frank schwer gewesen sein, am noch frischen Grab seines Vaters zu stehen, nachdem er ein Land verlassen hatte, dessen Regierung gerade eine Diktatur errichtete. Der 24-Jährige musste am Grab seines Vaters entscheiden, wo er seine berufliche Existenz gründen sollte. Frank Cha­Es war der englische Geheimdienst, der ihn im April 1940 für den Dienst im Ausland rekrutier­te. Im Juli 1940 ließ der britische Premierminis­ter Winston Churchill eine nachrichtendienstli­che Spezialeinheit gründen, deren Aufgaben es sein sollte, Widerstandsgruppen in den von Deutschen besetzten Gebieten zu unterstützen oder hinter den feindlichen Linien Sabotageakte auszuführen. Unter der BezeichnungSpecial Operations Executive(SOE) wurde eine Orga­nisation gegründet, deren Aufgabe es sein sollte, Europa in Brand zu steckenSet Europe 12