Karl J. Mayer · Des Herzogs Hirsauer Untertanen Wenn man über Armut im herzoglichen Würt­temberg spricht, dann darf die stets mit Spott und Häme vorgetragene Aufzählung der Schul­meisterbesoldung nicht fehlen. Hier ein weiteres Beispiel, was der Hirsauer Schulmeister Ulrich neben seinem Grundgehalt, das bei 24 Gulden jährlich lag in Hirsau erhielt und was er dafür tun musste: Dem Schulmeister Ulrich in Hirsau kommt zu: Wegen Richtung der Uhr 4 fl[]; wegen Schlagung der Orgel 7 fl 30 x[]; wegen Haltung der Sonntagsschul: 1 fl 30 x; und nach einem Konvent-Richter-Schluss vom 20. Januar 1764 von Herum-Tragung des Klingel-Beutels an denen Sonntägen[] 1 fl 30 x[]; deßglei­chen hat er wegen[?] Inspection über die ledigen Leuthe, so bey denen Kinder-Lehren zu erschei­nen haben, järlich[] zu gaudiren: 1 fl.[]; nach Konvent-Richter-Schluß vom 3. Januar 1757 wegen Läutung der Gloken bei Verlesung des Gebetts nach der Predigt järlich 2 fl 30 x und sind ihm nach einem Kirchen-Convent-Richter­lichen Schluß vom 20. Januar 1764 wegen Läutung der Gloken, Morgens und Abends, und Abtreibung der Hund aus der Kirche[]: 1 fl 30 x[zu geben]. 26 Wahrlich ein vielbeschäftigter Mann und anscheinend ein Multitalent, der die Orgel schlagen, Jugendliche beaufsichtigen und Hunde aus der Kirche verjagen konnte. Aber er, der 63 Jahre lang Schulmeister in Hirsau war, hielt sein Geld zusammen. Im Juli 1795 kaufte er von Georg Friedrich Schanz, der auf der Altburger Sägmühle lebte und arbeitete, ein Wildfeldam Lützenhardt an der Wildbader Straße. 27 Der Preis lag bei 128 Gulden, darin inbegriffen der Hafer und die Erdbirnen, die auf dem Feld gerade wuchsen. Auch Ulrich hatte seinSach nicht nur zusammengehalten, sondern vermehrt. Ein untreuer Diener des Herzogs? In Hirsau sind die Obrigkeit und die Unterta­nen, die Hintersassen, sehr eng aufeinander gesessen. Sowohl räumlich, als auch in übertra­genem Sinn, weil es keine puffernde dörfliche Mittelschicht gab. Das führte mitunter zu Reibungen, da man sich tagtäglich über den Weg lief und sich sozusagen immer im Auge hatte. Es mag Zufall gewesen sein, dass im Jahre 1789, dem Jahr, das mit der Französischen Revolu­tion eine neue Ära der europäischen und der Weltgeschichte einleitete, in Hirsau ein Streit aktenkundig wurde zwischen einem einfachen Untertanen und dem wohlhabenden und ein­flussreichen Pfistermeister Abraham Haußer. 28 Er wurde schon als Hirsauer Unternehmer, Klosterbeamter und verhinderter Schwiegerva­ter erwähnt. Im März des Jahres 1789 nun beschwerte sich Haußer beim Klosteramt, der Hirsauer Schreiner Jerg Krombein habe ihn über Tage hinweg öffentlich im und vor demHirschen beleidigt. Er habe ihn alsHerrschaftsbetrüger verun­glimpft; Haußer sei, so Krombein weiter, ein Lump gewesen, als er die Mühle betrieben habe und werde auchein Lump im Closter bleiben. Haußer sei einEselstreiber und er strecke seinen Sauwanst deswegen so weit heraus, weil er die Herrschaft jedes Jahr um 300 Gulden betrüge. Es wird deutlich: Haußer wurde nicht nur persönlich beleidigt. Er wurde auch als herr­schaftlicher Funktionsträger angegriffen, der seine herausgehobene Stellung dazu nutze, sich zu bereichern. Haußer verklagte den Krombein daher zwar, weil er sich in seiner persönlichen Ehre angegriffen fühlte, aber auch, weil er die Beschuldigungen deswegen zurückweisen musste, weil siezum Nachtheil seines Amtes seien, wie er vor Gericht erklärte. Wie auch der Historiker Gerhard Fritz gezeigt hat, gab es nicht wenigeuntreue Diener des Herzogs. 29 Korruption war nicht unbekannt und persönliche Bereicherung von herzoglichen Amtsträgern fast so etwas wie ein fester Teil der Besoldung. Man nannte das dannVereh­22