Karl J. Mayer · Des Herzogs Hirsauer Untertanen wöchentlich Geld erhalten hatte. Als sie starb, fiel daher ihr Erbe nach Abzug der Beerdigungs­kosten an denHeiligen: 2 Gulden 29 Kreuzer. 22 Hier war in der Tat eine arme Frau gestorben. Aber woran erkannte man, dass ein Mensch, der um Almosen bat, sie auch wirklich benöti­gte? Im Ort wusste man es, aber was war mit den in den Unterlagen auftauchendenfrem­den armen Leuten? Auch sie, die sich nicht lange am Ort aufhalten durften, erhielten etwas, und zwar vermutlich nach alter Tradi­tion vom Torwächter des Klosters, unmittel­bar nach dem Gottesdienst, in dem man von den Gläubigen Geld eingesammelt hatte, das dann an die fremden Armen verteilt wurde. Allerdings mussten die fremden Armen ein entsprechendes Abzeichen aus Blech als Nach­weis ihrer Bedürftigkeit vorzeigen können, das das Pfarramt ausgab. Erst nach Abgabe dieses blechernen Bedürftigkeitsnachweises erhielten die Fremden ein Almosen aus demHeiligen. EinHeilix-Blechle also. Viel kann es allerdings nicht gewesen sein, was die fremden Armen erhielten, denn im Rech­nungsjahr 1777/78 hatte die Hirsauer Heiligen­pflege aus Opfergaben während des Gottesdiens­tes lediglich knapp 20 Gulden eingenommen. Nichts hatte derHeilige im Übrigen aus den sogenanntenSchwörbüxen erhalten. Die stan­den üblicherweise in den Wirtshäusern und jeder, der fluchte oder das Schwören bei Gott überzog, musste auf der Stelle eine Strafe zahlen. Aber:Da weder Schwörbüxen in denen Wirts­häusern aufgestellt, noch auf denen Wirthen ein jährlicher Ansaz deßwegen gemacht worden, so kommt heuer wieder ein Null. 23 Entweder die Hirsauer Hintersassen und die Ottenbronner waren besonders gottesfürchtig und gesittet beim Wirtshausgang und es wurde deswegen keine Schwörbüx aufgestellt, oder aber man hatte eingesehen, dass sich niemand an das Gebot hielt, sofort für jeden Fluch die Strafe in bar zu zahlen. An Gotteslästerung jedenfalls wurde die Heiligenpflege Hirsau nicht reich. Die Ortsarmen in Hirsau und Ottenbronn kennen wir im Übrigen beim Namen. Laut Aufzeichnung in der Heiligenpflegrechnung erhielten zum Beispiel im Rechnungsjahr 1777/78 folgende Personen Almosen: 24 Maria Magdalena Ritter aus Ottenbronn, sechs Kreuzer wöchentlich; Peter Held aus Otten­bronn, 15 Kreuzer wöchentlich; Anna Maria Häcker(Taglöhnerswitwe), acht Kreuzer wöchentlich; Agatha Held, ledig von Hirsau, zur Unterhaltung ihres unehelichen Kindes drei Kreuzer wöchentlich; Rosina Bosch aus Hirsau, acht Kreuzer wöchentlich; Barbara Ritter aus Ottenbronn, acht Kreuzer wöchentlich; Jacob Nonnenmann, einbeßtändig kränklicher Mann, zwölf Kreuzer wöchentlichbiß sich seine Gesundheits Umständ wieder Verbe­ßern. Die Heiligenpflege sprang auch ein, wenn Kin­der armer Leute das Schulgeld nicht zahlen konnten. Das konnten auch schon mal 30 Gulden pro Kopf und Jahr sein. Auch Kranke bekamen Zuschüsse für Kuren. So die neunjäh­rige Dorothea Döttling, der man 1 ½ Gulden gab für eine Kur in Liebenzell, da sie am linken Schenkel einenoffenen Schaden hatte. Sie erhielt den nicht unbeträchtlichen Zuschuss aufgrund eines Attestes des Calwer Landphysi­kus Dr. Georg Andreas Planer. Armut wurde im Übrigen nicht allein durch Almosen aus dem Kirchenvermögen abgefedert. In den Gerichtsprotokollen findet sich auch der Fall deselenden, gichtigen Heinrich Irion, der bei dem Hirsauer Strumpfweber Michael Blaich in Kost und Logis war. 25 Diese Art, arme, kranke, Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen wurde landesweit häufig praktiziert, besonders dort, wo es keine Armenhäuser oder Spitäler gab. Das Besondere bei Michael Blaich und seinem Pflege­befohlenen war zum einen, dass Blaich selbst sehr arm war. Zum anderen zahlte Irion, nicht in Bargeld für seine Pflege, sondern dadurch, dass er Blaich auf seinem Webstuhl arbeiten ließ. Einen eigenen besaß der Strumpfweber offenbar nicht. 21