Yvonne Arras · Die Klöster der Grafen von Hohenberg und die dominikanische Observanzbewegungdie bislang einzig bekannte Überlieferung derfrühen Fassung von Peuntners„Liebhabung Gottes“ außerhalb Österreichs darstellt. 16 Überlieferungen sind bekannt; doch alle entstammen österreichischen Gebieten – nur die von Maria-Reuthinnicht.52Die Fragen, wie eine Textvorlage dieserSchrift nach Reuthin gekommen ist und ob dieSchwestern das Buch selbst geschrieben haben oderob es auf anderem Wege ins Kloster kam, sindnoch völlig ungeklärt. Es wäre aber denkbar(wennauch zum jetzigen Forschungsstand nur als Hypothese), dass die Schrift(oder eine Textvorlage) imRahmen benediktinischer Reformbewegungennach Reuthin gekommen ist;53daran nahm derDominikanerkonvent Reuthin freilich in aktiverWeise nicht teil, aber – wie es scheint – in passiverWeise, und zwar auf dem Weg der Bücherschenkung. Diese Vermutung belegt nämlich die zweiteauf 1450/60 datierte Handschrift(WLB Cod.theol. et phil. 8° 30) – auch sie hat einen dezidiertreformerischen Hintergrund. Obwohl sie mit derReform Reuthins nicht zusammen hängt, so abermit jener der Zisterzienser von Herrenalb. DerHerrenalber Mönch Wilhelm Kechler hat nämlich1458 das Büchlein seiner Verwandten(vielleichtseine Schwester), der Reuthiner Nonne ElsbethKechler, geschenkt.54Die Handschrift, die eineErklärung der Heiligen Messe enthält, wurde vonden Zisterziensern in Herrenalb verfasst, vielleichtvon Wilhelm Kechler selbst, und steht in Zusammenhang mit deren Reform.55Bei der dritten Handschrift(WLB Cod. brev. 61)handelt es sich um ein Gebetbuch(Papier, 118Blätter, Holzdeckel, roter Glanzlederüberzug), welches verschiedene Gebete beinhaltet. Dieses Buchkann ein Beleg für den Zuzug der Schwestern ausWorms sein. Denn das Papier stammt dem Wasserzeichen zufolge aus Baden. Auf Blatt 105(undähnlich Blatt 113) steht:„dys bychlin ist magdellenwerberin zu wylberg jn der samlung“. FriedrichGand kennt die Schwester nicht als Nonne inReuthin. Er vermutet, dass es sich um eine Schwester aus dem Wildberger Drittordenskonventhandelt.56Allerdings bedarf es dann noch einerErklärung des badischen Papiers. Es ist deshalb auchdie Überlegung denkbar(wiederum hypothetisch),dass Schwester Magdalena dieses Buch von einer derSchwestern aus Hochheim/Worms geschenktbekommen hat. Die Datierung der Handschriftanhand der Wasserzeichen um ca. 1460–63 stehtdieser Vermutung nicht im Weg.Schließlich soll noch die Inkunabel 2° 14829 derWLB erwähnt werden; sie ist wohl der sichersteBeleg dafür, dass die Reuthiner Buchkulturdurch die Klosterreformen Konjunktur hatte. Eshandelt sich um ein vor 1478 in Reutlingengedrucktes Werk in lateinischer Sprache. DiesesBuch haben die Reuthiner Schwestern tatsächlich im Jahr der Reform 1478 für einen halbenGulden erworben – und zwar war es für BruderBernhard, den neuen observanten Beichtvateraus Esslingen(siehe oben), bestimmt.57Angesichts dieser Sachlage kann kaum bezweifeltwerden, dass hier zwischen der Anschaffung desBuches, der Einsetzung von Bruder Bernhardund der Reform Reuthins ein Zusammenhangbesteht.Nach dieser ersten groben Sondierung bleibtfestzustellen: Die Schriftkultur gewann im Rahmen der spätmittelalterlichen Klosterreformen inMaria-Reuthin durchaus Auftrieb; und zwar nichtnur in aktiver Weise durch die der Dominikaner,sondern auch in passiver Weise durch dieReformen von Klöstern anderer Orden. Es wäresicher lohnenswert, das Interesse der ReuthinerSchwestern für Schriftliches zu erforschen, wasbisher völlig vernachlässigt wurde.Kloster Kirchberg: Ein Fall für sichSo reibungslos wie bei Maria-Reuthin verlief dieangestrebte Reform bei Kloster Kirchberg nicht– dies, obwohl auch die in Rottenburg/Neckarresidierende Pfalzgräfin Mechthild Anfang desJahres 1476 die Reform von Kirchberg beantragte; nämlich im selben Schreiben an denDominikanergeneral, das die WürttembergerGrafen abgesandt hatten(siehe oben). Mechthildnahm an, dazu befugt zu sein, da das Kloster inihrem Territorium, der Grafschaft Hohenberg,184