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Hydrographie. Beschreibung einzelner Flussgebiete, Enz-Nagold.
Ausser den in dieser Uebersicht aufgeführten Hochwassern berichten die Chroniken, jedoch ohne Angabe der Höhe, noch von grossen Ueberschwemmungen aus den Jahren 1199, 1461, 1472, 1500, 1573, Juni 1613, 13. Januar 1633, 20. Dezember 1740 u. a.
Die durch Landregen und Gewitter hervorgerufenen Hochwasser erreichen nur ausnahmsweise die Bedeutung der Schneeschmelzhochwasser; sie treten hei den steilen Thalhängen und starken Flussgefällen meist sehr rasch und kräftig ein, haben aber nur kurze Dauer. Die Kurven der täglichen Wasserstandsbewegung zeigen daher in ihrem Verlauf bei Hochwassern, die durch Landregen erzeugt wurden, einen niederen Scheitelpunkt mit langsamer Abflachung, bei Hochwassern infolge von Gewittern eine hohe, spitzige und schnell abfallende Wellenform. (S. Beilage 15.)
Die Schneeschmelzwasserfluten können bei durchgreifendem, starkem Witterungsumschlag, der im oberen Schwarzwald und im Gäu zu gleicher Zeit eine Schmelze verursacht, ebenfalls plötzlich ansteigende Wellen geben. Diese werden in dem Fall sehr gefährlich und schadenbringend, dass warme Niederschläge mit der Witterungsänderung verbunden sind. So betrug im März 1896 das Steigen des Wasserspiegels innerhalb zweimal 24 Stunden in Höfen 2,1 m, in Calw 2,5 m, in Pforzheim 1,6 m und in Enzweihingen 2,9 m. Gewöhnlich vollzieht sich die Schneeschmelze nach einem ersten kräftigen Anstoss, der eben die Flutwelle erzeugt, allmählig, so dass sich die Wasserstände längere Zeit auf beträchtlicher Höhe erhalten, langsam ahnehmen und eine wesentlich längere Gesamtdauer haben als die Sommerhochwasser. Der Scheitelpunkt dieser Flutwellen ist meist abgerundet oder zackig, was von Unterbrechungen des Schneeschmelzprozesses während der Nacht oder von mehrtägigen Temperaturrückschlägen herrührt.
In Beilage 15 ist der Verlauf dieser verschiedenen Arten der Enz- und Nagoldflutwellen dargestellt. Der übersichtlichen Vergleichung wegen sind die Wellen nicht auf einen gemeinsamen Horizont, sondern auf das betreffende, den Anschwellungen unmittelbar vorhergehende, einige Zeit anhaltende Mittelwasser bezogen.
Die Schnelligkeit, mit der der Scheitel einer solchen Flutwelle sich fortwälzt, kann, in Ermanglung von selbstschreibenden Pegelbeobachtungen bezw. von Wasserstandsaufschrieben, die in kürzesten Zeitabschnitten gemacht worden sind, nur annähernd angegeben werden. Sie betrug zwischen den Pegeln zu Pforzheim und Besigheim je nach der Höhe der Anschwellung 1,25—1,60 m in der Sekunde.
Mit diesen Schmelzwasserfluten sind sehr häufig Eisgänge verbunden, die schon öfters, wie z. B. in den Jahren 1784, 1789, 1827, 1830, 1862, 1865 und 1880 Ursache verheerender Katastrophen geworden sind.
An Flussstellen mit wenig Gefäll, z. B. oberhalb von Flussengen, von Kiesbänken und von Wehren, an kalten, zugigen Flussstellen oder an solchen, die sich entlang des Fusses von bewaldeten Thalhängen der sogenannten Winterseite hinziehen, gefriert das Wasser oft bis auf 40—60 cm Stärke.
Das Auftauen derartiger Eismassen, die im Mittel- und Unterlauf in ausgedehnteren Flächen Vorkommen als im Oberlauf der Flüsse, beansprucht 6—10 Tage Zeit. Erfolgt nun der Witterungsumschlag rasch, so treffen die Schmelzwasser der Quellbäche und des oberen Flussgebietes, sowie die mitgeführten harten Eistafeln im weiteren Verlauf auf eine noch geschlossene Eisschichte, es entstehen gefährliche Aufstauungen und seitliche Ausbrüche durch das wärmere Flusswasser. Durch den Auftrieb wird die Eisdecke schliesslich zum Sprengen gebracht, sie löst sich, zieht ab und giebt nun ihrerseits an Flusskrümmungen und engen Brückenstellen, sowie an weiter abwärts gelegenen Eisflächen wieder Anlass zu neuen Eisstopfungen und verursacht durch wiederholten Austritt neuen Schaden an Gebäuden, Bäumen und Ufergeländen.
Wassermengen.
Die Ergebnisse der Messungen der oberflächlich abfliessenden Wassermengen, die an der Enz und Nagold, sowie an ihren Nebenflüssen kleine Enz, Eyach, Zinsbach, Waldach und Würm mit dem Woltmann’schen Flügel ausgeführt wurden, sind in dem Verwaltungsbericht für die Jahre 1893/95, S. 10 übersichtlich zusammengestellt. Erhebungen über die durch Grundwasserströme abgeführten Wassermengen wurden nicht angestellt.
Diese Messungen wurden an jeder Messungsstelle mit Ausnahme derjenigen an der Enz unterhalb Bietigheim bis heute nur zweimal und zwar bei mittlerem und niederem Wasserstaud wiederholt;