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Der Gesellschafter.
Justiz auf dem Meere.
Auf einem dänischen Schiffe befand sich ein portugiesischer Koch, ein häßlicher und schlechter Mensch, der sich seiner Vergeht» wegen mehrmals Strafe zugezogen hatte, als er einst wiederum eine solche Strafe überstanden hatte, wüthend über den ersten Lieutenant hcrfiel, und demselben, um seine Rache zu kühlen, den Dolch in die Brust stieß. Der Lieutenant war allgemein beliebt, und die Mannschaft würde den Mörder sofort erschlagen haben, wenn nicht der Kapitän zu rechter Zeit dazu gekommen wäre und dieß verhindert hätte. Der Mörder ward in Ketten gelegt und der Kapitän berief für den nächsten Tag ein Kriegsgericht, das unter den größten Feierlichkeiten abgchaltcn wurde und das den Verbrecher einstimmig zum Tode vcrurtheilte. Das Urtheil wurde dem Mörder vorgelesen und er fiel vor dem Kapitän auf die Knie nieder, um Gnade zu erbitten. Der Erzähler, welcher sich als Passagier auf dem Schiffe befand, verstand die dänische Sprache nicht und konnte nicht begreifen, durch welche Drohungen der ver-' stockte Sünder, der durchaus keine Neue gezeigt hatte, zu dieser Demüthigung und Zerknirschung gebracht worden seyn mochte. Der Kapitän achtete auf die Bitten des Mörders nicht. Vier Mann hoben den Körper des Ermordeten auf, der mit einer Fahne bedeckt dagelegen hatte, und vier Andere ergriffen den Verurtheilten. Dann brachte man starke Stricke herbei und die Sache klärte sich auf; die Angst, welche der Mörder gezeigt hatte, setzte den Erzähler nicht mehr in Erstaunen. Man band den Verur- theilten mit dem Ermordeten zusammen; der Geistliche sprach einige Gebete und — die beiden Zusammengcbun- denen, der Todte und der Lebende, der Mörder und der Ermordete, wurden in das Meer geworfen. Das Schiff befand sich in der Nähe des Aequators und es folgten ihm mehrere Haifische, die gierig aus Beute lauerten. Sobald die schwere Last das Wasser berührte, schoß ein gewaltiger Hai hinzu und packte die doppelte Beute. In dem Augenblicke , als man den Vcrurtheilten in das Meer warf, traf mich, den Erzähler, ein Blick von ihm, den ich nie vergessen werde, denn er drückte etwas tausendfach Schrecklicheres aus, als gewöhnliche Todesfurcht... Das Meer färbte sich mit Blut; wir Alle standen lange sprachlos auf dem Verdecke und blickten unverwandt auf die blutige Stelle im Meere, wo der Verbrecher verschwunden war.
War' ich reich!
Es ist doch sonderbar, daß Jedermann auf dieser Welt, weß Standes er auch sepn möge, nicht müde wird, sein Schicksal zu beklagen, und sich unglücklicher zu dünken, als sein Nächster. Wann kommt einmal der Tag, wo der Mensch auf der Erde mit seinem Loose zufrieden, sich unnützer Wünsche entschlagen wird! Ich kenne einen
Mann in der *** Straße, der das ruhigste, zufriedenste Leben auf der Welt haben könnte; Besitzer einer Leibrente, die zwar mäßig, aber hinreichend ist für seine Bedürfnisse, hat er genug, um zu seinem einfachen Mahl täglich ein Glas Wein, und bei X. oder sonst wo seine Tasse Kaffee zu trinken, und ist übrigens gesund wie ein Fisch im Wasser — aber sobald ihn die Begierde nach diesem und jenem übermannt, vergißt er alles Gute, dessen er genießen kann, und seufzt, als wenn der unvorsichtige Wunsch allen seinen Entbehrungen ein Ende zu machen vermöchte: Wär' ich doch reich!
Was für eine rührende Stimme schlägt an mein Ohr? Ah! cs ist die junge Frau meines alten Freundes, die ein verstümmelter Alter wahrscheinlich um eine milde Gabe angesprochen hatte. — Nehmt, da, armer Mann, sagt sie, ihm einige Münzen reichend — es ist Alles, was ich bei mir habe — lieber Gott, wär' ich reich!
Seht dort den jungen Menschen — er ist kaum zwanzig Jahr — die süße Zeit des Lebens. Ihm hat ein hübsches Kind das Herz schwer gemacht, und er möchte es sich gerne erleichtern, und die Last in Gestalt von Shawls und anderm Putz auf den weißen Nacken seiner Erkohrnen legend, mit ihr nach X., I. oder nach Z. fahren — aber sein Vater hat keinen Sinn mehr für die schönen Bedürfnisse der Jugend, und der weichherzige Herr Sohn soll studiren, und sich unterhalten mit sich selber bei zwanzig Thalern monatlich; — O, hartes Schicksal! ruft oft der Unglückliche — wäre ich reich!
Wenn Genie und Talent für Geld zu haben wären — wie viele Dummköpfe würden da nicht auf einmal aus- rufen: Wären wir doch reich!
Hören wir doch einmal den ehrsamen guten Kaufmann da, Herrn L.: Was für ein Malheur ist es nicht, sich in dem vermaledeiten Laden zwölf bis fünfzehn Jahre quälen zu müssen, eh' man dahin kommt, des Lebens zu genießen! Ich habe keine großen Wünsche; mein einziges Vergnügen wäre die Jagd; nun ein mäßiges Rittergut, ein paar hundert Morgen Landes nebst Waldung und Zubehör, und ich wäre glücklich wie ein König; ich jagte das ganze Jahr durch, ohne mich um die Welt und ihren Lauf zu bekümmern; aber dazu muß man sepn, was ich nicht bin. — O, würd' ich bald reich!
Ich bin bald neunzehn Jahre, denkt oder spricht ganz leise vor sich hin dort drüben meine allerliebste kleine Nachbarin, die mit ihrer Hände Arbeit ihre alte blinde Mutter erhält. — Jedermann sagt mir, daß ich hübsch und fromm bin, und so oft ich wohin gehe, kommen die jungen Herren, und schwatzen mir von Liebe vor und dergleichen, aber keiner ein Wort von Heirath — Ach! wär' ich reich! —
Und ich, ich sitze an meinem gebrechlichen Schreibtisch, sehe über die Straße durch die Fenster die Vorübergehenden und seufze herzlicher als alle die Uebrigcn: Ach! war' ich doch und Ihr Alle reich!