Klaus Pichler · Eine Betrachtung zu zwei Gedenktafeln an die Kriege von 1866 und 1870/71 zwar nicht der Freiheit, wohl aber einer Einigung näher. Dass die Zavelsteiner und Breitenberger Ge­denktafeln gleichermaßen an den Krieg von 1866 wie an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 erinnern, belegt, dass beide Ereig­nisse als zusammenhängend begriffen wurden. In der gewaltigen Macht-Expansion Preußens durch seinen Norddeutschen Bund sah der französische Kaiser Napoleon III. eine weitere Ansehensminderung. Annähernd zeitgleich war seine Intervention in Mexiko gescheitert, die das Ziel hatte, dort eine von Frankreich abhängige Monarchie zu installieren. Auch mit Annexions­plänen hinsichtlich Luxemburgs und Teilen Belgiens war er durch den raschen preußischen Sieg von 1866 nicht weiter gekommen. Repu­blikanische Strömungen in Frankreich mussten dringlich durch außenpolitische Erfolge besänf­tigt werden. So machte die ParoleRevanche pour Sadova(Rache für Sadova) die Runde, wobei Sadova die französische Bezeichnung für Königgrätz war. Dass mit Österreichs Niederlage bei Königgrätz französische Interessen allenfalls indirekt in Zusammenhang zu bringen waren, ging in den Revanche-Gelüsten unter. Nachdem 1868 spanische Militärs ihre Königin Isabella II. aus der französischen Bourbonen­Linie abgesetzt hatten, begaben sich die Spanier auf die Suche nach einem passenden Nachfol­ger. Dabei stieß man auf den katholischen Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmarin­gen. Widerstrebend übernahm dieser auf Drän­gen Bismarcks die potentielle Nachfolgerolle. Auch der Chef des Hauses Hohenzollern, Bis­marcks Dienstherr König Wilhelm I., sollte dem Plan seinen Segen geben, was dieser schließlich ebenfalls widerstrebend tat. Nun trat die französische Seite in Aktion mit der Absicht, die Preußen zu demütigen. Vom fran­zösischen Außenminister Herzog von Gramont, der mit einem Umklammerungsversuch durch die Hohenzollern argumentierte, kam eine Kriegsdrohung. Prinz Leopold wie König Wil­helm zogen hierauf unverzüglich ihre ungeliebte Nachfolge-Einwilligung in der spanischen Thronfrage zurück. Eine der Pointen dieser Angelegenheit steckte in den Verwandtschafts­verhältnissen: Prinz Leopold war(über seine Großmutter Eugénie de Beauharnais) mit Na­poleon III. näher verwandt als mit den preu­ßischen Hohenzollern. Der Hohenzollern-Rück­zug befriedigte jedoch die französische Seite nicht. Auf Veranlassung seines Ministers sprach der französische Botschafter Graf Benedetti den im Juli 1870 in Bad Ems zur Kur weilenden preußischen König während dessen Morgenspa­ziergang an. Frankreich verlange eine Verpflich­tung, auch für die Zukunft eine Besetzung des spanischen Throns durch Hohenzollern auszu­schließen. Diese nach Form und Inhalt unge­bührliche Forderung lehnte der König höflich aber bestimmt ab. Bismarcks Vertrauter Hein­rich Abeken, der den König begleitet hatte, schickte darauf jenes berühmte Telegramm, das alsEmser Depesche in die Geschichte einging. Er informierte seinen Chef über den Vorgang neutral und sachgerecht. Bismarck, seinerseits auf Maßregelung Frankreichs und Klärung der Hegemonialfrage in Mitteleuropa bedacht, redi­gierte und kürzte den Text, der dadurch deutlich an Schärfe gewann, und stellte ihn der Presse zu. In Frankreich wurde unverzüglich die franzö­sische Übersetzung veröffentlicht. Auch über diese Vorgänge berichtete das Calwer Wochen­blatt ausführlich und sachlich am Samstag, dem 16. Juli 1870, allerdings blieb der in der Emser Depesche steckende Sprengsatz offensichtlich unerkannt. Wie von Bismarck vorausgesehen kam es zu einer Empörung in der französischen Bevölke­rung, die nun die Regierung Napoleons III. unter Zugzwang setzte. Am 19. Juli 1870, sechs Tage nach dem morgendlichen Gespräch in Bad Ems, erklärte Frankreich in Fehleinschätzung seiner militärischen Möglichkeiten Preußen den Krieg. Nun findet sich im Calwer Wochen­blatt vom Dienstag, dem 19. Juli, ein völlig anderer Ton: 181