Uli Blumenthal · Der„Schwanen“, alias„Hôtel Weil“, alias„Hotel Metropol“mit Grundbucheintragung vom 3. Februar 1939ein„Zwangsversteigerungsverfahren angeordnet“ werden musste. In jenem Jahr starb derEigentümer des Gebäudes, Gastwirt und Zimmermeister Fritz Kuch Senior. Die Erben, FritzKuch Junior und Emil Kuch, verkauften dasehemals ehrwürdige Hotel samt Nebengebäudedann im Sommer 1942 an die Stadt unterBürgermeister Kießling. Aus dem Kaufvertragvom 25. Februar 1942 geht hervor, dass derKäuferin zwar ein„teilweise mangelhafte(r)Instandhaltungszustand der Gebäude“ bekanntwar; aber:„Besondere Bauschäden wurden beider Besichtigung nicht festgestellt(…).“ DieBeteiligten erklärten zudem auf„die an siegestellte Frage(…), daß an dem Rechtsgeschäftkein Jude beteiligt ist.“ Im Zweiten Weltkriegdiente das ehemalige Hotel seit dem 15. November 1940 als„Kriegsgefangenenarbeitslager“,fünf Tage später bezog Emil Kuch zwei Räumeim Dachgeschoss; ab 1. Februar 1941 befandensich dann auch„Mieträume des Arbeitsamtes“im Haus.37Das Schicksal der Familien Weil und EbsteinBei der Volkszählung vom 16. Juni 1933 warenin Wildbad fünf Bürger mit der Religionszugehörigkeit israelitisch gezählt worden, die ehemaligen Besitzer des Hotels waren bereits 1927nach Offenburg verzogen. Der FamiliennameWeil, der heute dort noch gängig ist, bedeutetnicht immer verwandtschaftliche Bande odergemeinsamen Glauben.Ismar Ebstein(* 29. Dezember 1878 Breslau,† 22. September 1942 Recebedou) und seinSohn Alfred Alexander Ebstein(* 8. März 1909Offenburg, † 1942 Izbica) wurden Opfer desRassenwahns. Vom 11. bis 22. November 1938war Ismar Ebstein im KZ Dachau inhaftiert. Am22. Oktober 1940 wurde er dann ins Lager Gurs(Südfrankreich) deportiert und fand am22. September 1942 den Tod im Internierungslager Recebedou bei Toulouse. Es muss sein1909 in Offenburg geborener Sohn AlfredAlexander gewesen sein, der am 24. November1938 von seinem Wohnort Kitzingen zum KZDachau verfrachtet wurde, wo er bis zum26. Januar eingesperrt war. Ab Nürnberg wurdeer am 24. März 1942 in Richtung polnischesDurchgangsghetto Izbica deportiert – ohneDatums- und Ortsangaben wurde er für toterklärt. Die Stadt Offenburg widmete Vater undSohn je einen von 103 Stolpersteinen. IdaEbstein, geborene Weil(* 25. Oktober 1875Offenburg) konnte dem Holocaust entkommenund starb 1952.38Der 14jährige Erich Weil wurde mit seinenEltern Max(* 25. April 1879 Offenburg,† 14. September 1941, Rivesaltes, Internierungslager, Bruder von Ida Ebstein geborene Weil)und Paula im Oktober 1940„zwangsweise indas Konzentrationslager Gurs, Frankreich, verschickt“; Erich Weil konnte in die Schweizentkommen. Im September 1943 schrieb er ausLugano seinem Freund Heinz einen Brief:„Auchich fühle mich glücklich hier und bin … knappder Deportation entgangen. Heute ist es 2 Jahre,da mein lb. Vater selig von uns gegangen ist.Und letzten Jahres im Monat August wurde auchmeine liebe Mutter von Frankreich aus deportiert und habe ich seither kein Lebenszeichenmehr von ihr. Das sind traurige Zeiten. Esverbleiben mir noch die lb. Tante Rudel Fettererund Tante Ebstein in ganz Europa, mit denenich in Verbindung stehe. Mein Onkel IsmarEbstein ist auch letztes Jahr gestorben.“39Die weitere Geschichte des Hotels SchwanenNach dem Weltkrieg ließ der Wildbader Unternehmer Gutbrod im Schwanen Zahnräder undGetriebe fertigen; an der Frontseite des Balkonskonnte man bis vor kurzem noch das verwaschene Logo„Emil Gutbrod, Zahnrad- undGetriebefabrik“ erkennen – der Entwurf hierfürdatiert aus dem Jahre 1949. An der Rückseitedes Gebäudes konnten wir als Kinder die in allenFarben schillernden, ölverschmierten Drehspänein Holzkisten bewundern. Auch die Druckerei186