Uli Blumenthal · Der„Schwanen“, alias„Hôtel Weil“, alias„Hotel Metropol“Elternhaus praktizierende jüdische Arzt Dr. MaxGünzburger wurde schon bald nach der Machtergreifung von NS-Leuten schikaniert, die Treppeheruntergeschubst sowie boykottiert. Sie selbstsei als junges Mädchen hierbei als„Judenhelferin“beschimpft worden; wahrscheinlich war diesanlässlich des allgemeinen Judenboykotts am1. April 1933.30Die wirtschaftlichen und außenpolitischen Erfolge jedoch ließen das deutschnational und konservativ geprägte Bürgertum großzügig über innenpolitische Repressionen hinwegsehen: Nicht nur der nach 28jähriger Dienstzeitim Mai 1933 von den Nazis aus dem Amt verjagteEx-Bürgermeister Karl Baetzner – gewiss keinAntisemit, wie seine Rede zur feierlichen Eröffnung des Hotels Metropol 1927 zeigte – erfreutesich im Olympiajahr 1936 an der Gegenwart mit„ihrem kräftig pulsierenden neuen nationalenLeben“ und blickte„erwartungsvoll... in dieZukunft unseres Vaterlandes, die unter unseremFührer einer glückverheißenden Entwicklungentgegen geht“.31Alltäglicher AntisemitismusIm Protokoll der Gemeinderatssitzung vom21. Januar 1936 ist zu lesen:„Der Jude N.Holländer in Düsseldorf“ hat den Antraggestellt, eine jüdische Pension in Wildbad zuerrichten. Dies wird mit folgender Begründungabgelehnt:„In Übereinstimmung mit denGemeinderäten ist der Bürgermeister der Auffassung, dass der Zuzug jüdischer Kurgäste nichtauf diese Weise noch gefördert werden darf(...)“und der Antrag„daher aussichtslos ist.“ DasHetzblatt32„Flammenzeichen“ stellte den katholischen Stadtpfarrer Robert Fischer im Dezember1937 an den Pranger:„Wir hören, dass der kath.Stadtpfarrer F. in Wildbad die Juden E. und I.B. mit Händedruck begrüßt. – Er soll dochlieber das Kreuz vor den Burschen machen.“33Hotel Schwanen) erklärt Bürgermeister Kießling„in seinem Schlusswort offiziell unter großem Beifall der Versammlung, dass Juden inWildbad nicht mehr aufgenommen werden.“34Das Hotel im Dritten ReichLaut Gutachten vom Mai 1934 war das Hotel„z. Zt. Unterkunft des Frauenarbeitsdienstes“.Der bauliche Zustand wies zahlreiche Mängelauf, viele Scheiben fehlten oder waren zersprungen – ob dies mit antisemitischen Ausschreitungen nach der Machtergreifung zusammenhing, konnte nicht ermittelt werden, liegtaber nahe. Undatierten Plänen des Stadtbauamtes zufolge, waren die Räume im Erdgeschossfür das„Jung-Volk“ und die HJ vorgesehen,außerdem befand sich dort ein Raum für den„Kindergarten“. Im ersten Stock war die„BerufsVermittlung“ untergebracht – die bisherigeSynagoge wurde in zwei Räume unterteilt unddiente nun dem„B.D.M und Jungmädel(n)“sowie der„N.S.- Frauenschaft“ als Domizil; imGutachten wurde festgestellt:„Durch die Tätigkeit des Frauenarbeitsdienstes ist das ganzeUntergeschoß größtenteils aufgeräumt u. ineinen ordentlichen Zustand versetzt worden.“Dem neuen Besitzer und Vermieter Fritz Kuchwurde aufgetragen, die festgestellten Schäden beiveranschlagten Kosten von 3 000 RM beseitigenzu lassen.35Während jener Zeit zog der GasthofSchwanen(zumindest der Name) vom Kurplatzin das Gebäude des ehemaligen Hotels Weil bzw.Metropol um: Im Prospekt von 1937 befindetsich das Hotel nun in der Wilhelmstraße 94.Nur 12 Betten werden den Gästen ganzjährigangeboten, weder Garagen, fließend Wassernoch Zentralheizung heben den Komfort. Auchaus den Badblättern geht nur eine schwacheFrequentierung des Hotels hervor.36Und die Pforzheimer Zeitung berichtet imFebruar 1939: Bei der Hauptversammlung desKurvereins im Bahnhofshotel(heute das leerstehende Hotel Vier Jahreszeiten gegenüber demFür jüdische Gäste war, wie oben gesehen, keinPlatz mehr„im Wildbad“, und das Hotel befandsich nicht mehr auf der Höhe der Zeit. KeinWunder, dass ohne wirtschaftliche Perspektive185