Rainer Loose ·In engen Thälern zwischen hohen und steilen Gebürgen gen(mit 298 Meistern und 86 Gesellen), im Oberamt Göppingen, besonders in Boll von 82 Meistern und 14 Gesellen, und im Oberamt Calw, besonders zu Neuhengstett von 75 Meis­tern betrieben. Wenig später ist zu lesen, dass die Strumpfweber kaum Arbeit hätten. Ihr Handwerk stecke in der Krise wie so viele andere Handwerke auch. Es waren aber nicht nur die Zollgrenzen, die den Absatz der Strumpfweber­artikel erschwerten, sondern die alte Zunftver­fassung, die Neuerungen massiv im Weg stand. Einer der schärfsten Kritiker Moriz Mohl empfahl dringend die Zunftordnungen aufzuhe­ben und die Gewerbefreiheit einzuführen. Wie bei der Leinwand war es die mangelhafte Quali­tät der gestrickten Strümpfe und Hauben, die die Käufer davon abhielten, zuzugreifen. Allen­falls befriedigten die Wirkwaren das Bedürfnis der Landleute. Die Fabrikation, so die Einschät­zung der Gesellschaft für Beförderung der Gewerbe in Württemberg 1834, 24 ist auf einer niederen Stufe des technischen Betriebs stehen geblieben. Auch hieß es, die gestrickten Unter­kleider und Überröcke(Mäntel) seien der Gesundheit zuträglicher. 25 Dieser Bericht über den württembergischen Gewerbestand gab den Anstoß, sich intensiv um die Einführung der Strumpfstrickerei nach sächsischem Vorbild zu bemühen. 26 Neue säch­sische Strickerstühle, auf denen elastische Maschen dafür sorgten, dass sich Strümpfe und Unterkleider enger an den Körper anschmiegten, sollten die veralteten Strumpfweberstühle erset­zen. Gleichzeitig sollten solche modernen Wirk­stühle in Württemberg hergestellt werden. 1835 berichtete der Gewerbeverein im Hohenheimer Wochenblatt, dass er den Württemberger Johann Peter Barall im sächsischen Zeulenroda (Vogtland) bewegen konnte, in sein Heimatland zurückzukehren. Barall stammte aus Neuheng­stett und arbeitete schon dreizehn Jahre als Geselle bei einem Nadelmacher und Strumpf­stricker in Sachsen. Den Kontakt zu Barall knüpfte der aus Neuenbürg stammende Sekretär des Gewerbevereins, Friedrich Breunlin, der damals im Auftrag der Centralstelle unterwegs war, die Leinwand-Bleichanstalten und Bleich­verfahren in der sächsischen Oberlausitz zu studieren. Um sein Gewerbe als Nadelmacher selbständig ausüben zu können, forderte Barall gut 50 Taler, dazu Umzugskostenerstattung und eine kleine Geldsumme für sein neues Zuhause in Württemberg. Barall stammte zwar aus Neu­hengstett, wollte sich aber dort nicht niederlas­sen, weil sein Geburtsort Neuhengstett für den Betrieb seines Gewerbes nicht günstig gelegen sei. Als Wohnsitz wählte er zuerst Degerloch, dann Stuttgart. Um den Umbau von Strumpfweber- zu Strumpfwirkerstühlen zu beschleunigen, lobte der Gewerbeförderverein zunächst fünf Prämien für diejenigen aus, die sich bereit fänden, ihre alten Strumpfweberstühle zu modernen Strumpfstrickerstühlen umrüsten zu lassen. Doch es fanden sich lediglich drei Bewerber, keiner aber aus dem Oberamt Calw. 27 In Lieben­zell und Calw reparierten und bauten die Stuhl­schlosser Geyer und Raible zwar alte Strumpf­weberstühle um, aber sie waren so arm, dass sie sich an der Konstruktion neuer sächsischer Strumpfwirkerstühle nicht beteiligen konnten. Ein altes Zentrum der Strumpfweberei und -strickerei bildete neben Reutlingen, Ebingen und Cannstatt die Waldensergemeinde Neu­hengstett. Die soziale Lage hier war ziemlich desolat. Die fünf Strumpfstricker, die für Calwer Handlungshäuser arbeiteten, erhielten nur gerin­gen Lohn. Andere arbeiteten gelegentlich und hatten wochenlang keine Aufträge, sodass sie sich als Taglöhner verdingen mussten. Der Neuhengstetter Pfarrer Johann Georg Freihofer (1806–1877), 28 der 1832 dort sein Amt antrat, wollte dies ändern und sandte 1836 Anträge nach Stuttgart. Aus Neuhengstett wurde Jacques Talmon zu Barall in die Lehre gegeben, damit er neben den Fertigkeiten auf den verbesserten Strumpfwirkerstühlen zugleich das Handwerk eines Nadelmachers erlerne. 29 Denn die Kunst des Nadelmachens werdewie ein halbes Geheimniß be-handelt, das in Sachsen nur um theures Geld verkauft wird. 30 Die Neuheng­35