Rainer Loose ·„In engen Thälern zwischen hohen und steilen Gebürgen …“und-studenten in die damals noch zu denNiederlanden gehörigen, seit 1830 belgischen,Provinzen Flandern und Brabant zur Ergänzungihrer Ausbildung geschickt. Dort hatten auchHohenheimer Schüler als Praktikanten beiFlachsbauern und Flachsbereitern gearbeitet undsämtliche Tätigkeiten der Flachsverarbeitungkennengelernt.Belgische oder Brabanter Flachsbereitung bedeutete, dass die Röste des Flachses im stehendenGewässer erfolgte(nicht wie in Württemberg aufdem Feld oder auf der Wiese durch Tau), unddas Schwingen der Fasern, d. i. das Entfernender holzigen Teile von der eigentlichen Faser,mit speziell angefertigten Schwingstöcken undmit besonderer Sorgfalt ausgeführt wurde.Weil diese belgische Methode im Land unbekannt war, galt es, diese in Kursen zu vermitteln.Für diese Aufgabe war nun auch der Gewerbeverein bereit, junge Leute aus Hohenheim unddem übrigen Land nach Belgien zu entsenden.Ende September 1838 machte er in Schreibenan die Oberämter darauf aufmerksam, dass erReise- und Aufenthaltskosten für interessiertejunge Männer übernehme. Dem Schreiben andie Oberämter wurden Hohenheimer Flachsmuster beigefügt. Diese Flachsproben sollten dieLeute für den Flachsbau begeistern und dazuanregen, die Flachsanbaufläche auszuweiten.Von den angeschriebenen Oberämtern im Württembergischen Schwarzwald antworteten lediglich die Amtsversammlungen Neuenbürg undCalw. Die Schultheißen des Oberamtes Neuenbürg ließen wissen, dass sie die Flachsprobenauch ihren Frauen vorlegen müssten, die dieQualität der Flachsprobe besser beurteilenkönnten. Ein kluger Schachzug, den man nichtals Ausflucht auffassen, sondern als Einbindungvon Erfahrung und Fachwissen der Hausmütterverstehen sollte. Die Antwort, die der SchultheißDürr von Langenbrand dann gab, war freilichernüchternd für alle. Als er das HohenheimerFlachsmuster dem Oberamtmann zurückgab,legte er eine Flachsprobe aus Langenbrand bei,welche auf die„gewöhnliche Schwarzwälder Artin Tau geröstet“ worden war und welche seinerAnsicht nach eindeutig in Farbe und Feinheitder Hohenheimer Flachsprobe überlegen sei. Fürdie Flachsanbauer im Oberamt Neuenbürgbedeutete dies: Wir machen so weiter wie bisher.Anders die Calwer Amtsversammlung, die dieBemühungen der Gesellschaft für Beförderungder Gewerbe und des LandwirtschaftlichenInstituts dankbar begrüßte und sogleich einenKandidaten benannte, der im Sommer 1839nach Flandern zur Erlernung der belgischenFlachsbereitung reisen sollte. Nach Hohenheimsandte sie einen jungen Mann, damit er ebenfallsdie belgische Flachsbereitungsmethode erlerne.Sie übernahm auch hier die Reise- und Aufenthaltskosten. Ferner wollte die Calwer Amtsversammlung jede Bemühung unterstützen, die denFlachsbau zu einem attraktiven landwirtschaftlichen Gewerbe machte. Vorderhand bedeutetedies, die Flachsanbaufläche zu vergrößern. Dennauch darin lag ein wesentliches Hemmnis. Angebaut wurde der Flachs lediglich von kleinenGüterbesitzern, oft auf nicht mehr als auf einemViertel Morgen(circa 80 m²), gerade so viel, umden Eigenbedarf zu befriedigen. Wurde mehrFlachs als benötigt produziert, dann verkaufteman ihn an umherziehende Händler oder aufdem Liebenzeller Flachsmarkt.Allerdings erhielt die Begeisterung für die Flachsbereitung gleich zu Anfang einen Dämpfer, alssich herausstellte, dass der nach Belgien zuentsendende Kandidat – es handelte sich um denSchultheißen Flaig aus Eberspiel18– doch nichtder Richtige war. Immerhin konnte der Oberamtmann drei junge Leute nachmelden, die imAugust/September 1839 den Flachsbereitungskurs in Hohenheim mitmachen wollten.19Einer von den drei in Hohenheim ausgebildetenFlachsbereitern war Daniel Friedrich Pfrommeraus Zavelstein. Von ihm wissen wir, dass er 1840seinen ersten Versuch, den Flachs nach BrabanterMethode zu rösten, im benachbarten Rötenbachvornahm, wo ihm Schultheiß und Gemeinde die33