Karl J. Mayer · Des Herzogs Hirsauer Untertanen Der Prälat hatte eine alte Kuh und deren Kalb besessen, drei weitere Kühe und zwei Schweine. Zudem war noch etliches an Nahrungsvorräten vorhanden, zumeist wohl aus seiner Besoldung: Dinkel, Hafer und Erbsen und auch Wein. Davon hatte der Abt fünf Eimer besessen, also etwa 1 500 Liter im Wert von 111 Gulden. Als haltbarer Nahrungsvorrat werden Milch­schmalz und getrocknete Birnenschnitz erwähnt. Aus den hunderten von Inventaren der Kloster­hintersassen kann ein Gegenbeispiel vom unteren Ende der Hirsauer Sozialstruktur ange­führt werden, um das Gefälle der Besitzverhält­nisse zu demonstrieren. So hatte der Klostertag­löhner Martin Bertsch, der etwa zur selben Zeit starb wie Abt Wieland, bei seinem Tod ein Vermögen, das fast ausschließlich aus schon etwas veralteter Kleidung, Bettzeug, Küchenge­schirr(darunter ein altes Becherlein), einigen Möbeln(darunter einKindbettlädlein und ein Tisch ohne Schublade) und mancherlei weiteren Gegenständen bestand. 14 Alles war sehr beschei­den, wie die Verkleinerungsform zeigt, mit der man die Gegenstände versehen hatte, Bertsch hatte beispielsweise keinen Becher besessen, sondern ein Becherlein, und sein Schmalzpfänn­lein war alt und nur zwei Kreuzer wert. Bertsch hatte vor seinem Tod, beim Ableben seiner Frau, seinem Sohn Hans Jakob acht Gulden ausbezahlt und außerdem dessen Lehr­geld in Höhe von 32 Gulden aufbringen müssen, und die Tochter Margaretha hatte eine Aussteuer im Wert von 41 Gulden erhalten. So blieb am Ende des Tagelöhner-Lebens ein Besitz im Wert von 220 Gulden. Bargeld oder Grundbesitz hinterließ Bertsch nicht. eine Unterschicht aus Hintersassen auf der einen Seite, die meist einfache Taglöhner, Klosterknechte oder Handwerker waren, und der gehobenere Teil des herzoglichen Verwal­tungspersonals als Oberschicht fast unvermittelt gegenüber. Seit den 1760er Jahren kamen in Hirsau zu den herzoglichen Klosterbeamten und den Hinter­sassen noch etliche Unternehmer hinzu, wie etwa der Pappenhersteller Rivinius, der Saffian­lederfabrikant Reiter und die Löffelfabrikanten Bär und Konsorten(darunter der Klostermüller Abraham Haußer), die sich alle am Schwein­bach ansiedelten. 15 Sie sind aber wohl nicht als puffernde Mittelschicht zwischen Klosterbeam­ten und Hintersassen anzusehen, sondern sind eher der kleinen Hirsauer Oberschicht zuzu­rechnen. Die Ansiedlung mehrerer Betriebe ließ anderer­seits die örtliche Unterschicht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dadurch beträchtlich anwachsen, dass in größerem Umfang Arbeiter für die genannten Fabriken nach Hirsau kamen. Wie Siegfried Greiner vermerkt, wurde seit jener Zeit Wohn- und auch Raum für Handwerksaus­übung rund um das Kloster knapp. 16 Man versuchte, dem durch kleine Anbauten an beste­hende Wohnhäuser abzuhelfen. Eine zerstrittene Oberschicht Die schmale lokale Oberschicht aus Klosterbe­amten und Unternehmern schottete sich, wie in anderen,normalen Dörfern und Städten, gegen die einfachen Hintersassen ab. Ein Bei­spiel mag dies andeuten: Vom Thema Besitz ist es nicht weit zur Frage, wie man die Sozialstruktur rund um das Kloster im 18. Jahrhundert charakterisieren könnte. Hier registrieren wir fast zwangsläufig eine Besonderheit, die bereits angeklungen ist, näm­lich das Fehlen einer dörflichen, gewachsenen sozialen Schichtung. Im Prinzip standen sich Im Herbst 1792 erschienen zwei wichtige Beamte der Hirsauer Klosterverwaltung vor dem Klostergericht: Der eben erwähnte Pfistermeister Abraham Haußer und der herrschaftliche Maier, also einer der beiden Verwalter der landwirt­schaftlichen Klostergüter, Michael Schwemm­le. 17 Schwemmle hatte einen Sohn, der ebenfalls 16