Warum wurde Altensteig-Dorf 1813 entwaffnet? Napoleons Größenwahn hinterließ vor knapp 200 Jahren seine SpurenZum Dorf und wohl im ganzen Oberamt Nagold Fritz Kalmbach, Dettingen-Erms Schultheiß Theurer sparte 1813 Papier. Daher entdeckt man in einem Buch, das man heute als Altensteig-Dorfer Grundbuch bezeichnen würde(Güterbuch 1781), einen Zufallsfund, wie er bis jetzt aus keinem anderen Ort des ehemaligen Oberamts Nagold(1810-1938) oder darüber hinaus bekannt geworden ist. Transkription des Originaltextes: Deutschland glich 1813 einem wilden Flickenteppich von Regionalwährungen, Münzsystemen und Münzsorten und wurde erst mit der Gründung des sog. Münzvereins 1837/38 in zwei Währungsgebiete zusammengefasst, das Gebiet des Talers in Norddeutschland(1 Taler= 30 Groschen= 360 Pfennig) und des Guldens in Süd­deutschland(1 Gulden= 60 Kreuzer= 720 Heller). Dabei galten 2(preußische) Taler=(süddeutsche) Gulden. Daß von der allhiesigen Commun Dorf Altensteig in dem Frühjahr 1813 die bey denen Burgern daselbsten befind­lichen Schießgewöhre nach erhaltenem oberamtlichen Befehl mußten auf Nagold eingelieffert werden. Dahero sind solche vorhero von dasigen Ortsvorstehern dorfgerichtlich angeschlagen worden, und müssen solche bey dem Burgermeisteramt denen nachstehenden Burger verrechnet und bezahlt werden. Und zwar haben nach dem Anschlag zu erheben wie folgt. Schultheiß Theurer.................... 4 f..........# 802 Hanß Jerg Waidelich................... 4 f..........# 856 Adam Lehmann......................... 4 f..........# 444 Michael Haug......................... 4 f..........# 304 Jacob Pfeiffle......................... 4 f..........# 551 Johannes Manz......................... 4 f..........# 455 Friederich Seeger...................... 4 f..........# 726 o. 738 Johannes Schwab...................... 4 f..........# 675 Friederich Nestle....................... 4 f..........# 536 des Christian Welckers................................# 888 FlinthenLauff.................. 1 f. des Michel Theurers....................................# 817 Standbüxx..................... 5 f. _______________________________ [Summe].........................42 f. Anmerkungen: 1.) f.= Gulden. 2.) In der Transkription wurde den genannten Bürgern die Identifikations-Nummer, z.B.# 802, beigefügt, die sie im Ortssippenbuch Altensteig-Dorf von Prof. Oertel erhalten haben. In der neuen deutschen Reichswährung(1 Mark= 100 Pfennig), die von 1871 bis 1.1.1876 schrittweise einge­führt wurde und die bis dahin geltenden 7 Münzsysteme mit 119 Münzsorten ablöste, galt ab 1.4.1874 der Wech­selkurs von 1 Gulden= 1 5/7(Gold)Mark. Diese Kenntnis nützt heute aber nichts mehr. Ein moderner Wertver­gleich(Wikipedia 2012) von 1 Goldmark(1873-1899)= 9,86 Euro(2012) ist ebenso wenig hilfreich. Für eine Umrechnung des wirklichen Werts einer Flinte aus dem Jahre 1813 auf 1876 oder auf einen modernen Wert(DM, Euro) sind diese Wechselkurse untauglich. Es müssten weitere Faktoren, z.B. die Kaufkraft und deren Änderungen, die Verschiebungen in den Marktprei­sen, das Lohngefüge, die Arbeitszeit für eine Ware, die Inflationen, gestiegene Materialpreise u.a.m. berück­sichtigt werden. Versuche, mit Lohn-, Arbeitszeit- und Kaufkraft-Ver­gleichen sich ein Bild zu machen, etwa derart: was kostete 1 Pfund Brot, 1 Ei, 1 Kuh, oder: was verdiente ein Handwerksmeister täglich, können nicht überzeugen bzw. liefern meist ein falsches oder bestenfalls ein schiefes Bild. Dazu nur ein Beispiel aus dem Ruhrgebiet um 1800. Dort verdiente ein Zimmer- oder Maurer­meister 36 Pfennig und Kost täglich. Aber was soll man mit einer solchen Angabe für die heutige Zeit anfangen können? Zurück zu unseren Flinten: Man wird den Geldwert der zumeist wohl betagten Flinten in Bürgerbesitz als Waffen um 1800 nicht allzu hoch ansetzen dürfen. Sie waren meist von geringer Qualität und, was die Kugeln angeht, noch nicht einmal standardisiert. Welchen Geld- und Kampfwert im Vergleich zu heute hatte wohl ein solches Gewehr? Beides kann man nicht zuverlässig feststellen. Anders als z.B. bei alten Längenmaßen oder Gewichten, kann man Geldwerte aus vielerlei Gründen nicht einfach umrechnen. Ihr Kampfwert bestand wohl eher darin, furchterregend Lärm und Pulverdampf zu erzeugen. Im Nahkampf allerdings waren sie stabile Träger des Bajonetts, also im Grunde ein modernisierter Spieß. Und umgekehrt am Lauf gepackt, konnte man im Nahkampf Flinten als schwere, wirksame Keulen verwenden, also im Grunde 29