Berneck Hans von Gültlingen als seinen Oheim6– wardiese sicherlich mindestens eine Generation früher erfolgt, also um 1330 oder früher. Möglich wäre aber auchdieses: Vielleicht kauften sich die Gültlinger zunächst inBerneck ein, um dann danach mittels Heirat auch verwandtschaftliche Bande zu den ortsansässigen Herrenvon Berneck zu knüpfen?Merkwürdig ist auch der Umstand, dass 1365/67 zumeinen die beiden Festen, die in zahlreichen, späterenBelehnungsurkunden als obere und untere Feste oderSchlösser bezeichnet werden, und des weiteren noch ein„Haus“, an dem der Besitz an der Stadt gebunden war,erwähnt sind. Dieses Haus muss als adelsgemäßer Sitzin den nächsten Jahrzehnten wohl aufgegeben wordensein, da es in den zahlreichen weiteren Belehnungenspäter nicht mehr genannt wird. Aber wo stand einstdieses Haus? Als erstes fällt einem natürlich das rätselhafte sogenannte Pfaffenhaus ein, das sich noch heuteöstlich der Straße Berneck – Gaugenwald im Wald alskleiner, vermutlich mittelalterlicher Turmhügel mit etwasieben Metern Durchmesser zeigt.7Die nächste Möglichkeit könnte sich auf die noch heute sichtbaren Siedlungsreste im Wald Kögelshardt beziehen, die nach der 1862erschienenen Nagolder Oberamtsbeschreibung die Überreste einer Burg darstellen sollen.8Die dritte Möglichkeitbesteht in der nachgewiesenen Existenz eines„stainenheußlin ufm Schilnberg“, also eines steinernen Hausesauf dem Schillberg, der sich von der Stadt und dem oberen Schloss mit seiner Schildmauer in Richtung Zwerenberg erstreckt. Dieses Gebäude wurde in Zeugenaussagen von den fünf älteren Bernecker Bürgern Jakob Kling(88 Jahre), Bartlin Werner(62 J.), Georg Häußer(57 J.),Hans Entersperger(62 J.) und Jörg Schmid(60 J.) ausdem Jahre 1659 erwähnt.9Auch die Nagolder Oberamtsbeschreibung vermutete hier auf dem„Schiltberg“ einsteine Burg.10Wo nun dieses Haus stand, das 1365zwischen Hug von Berneck und Gumpold von Gültlingengeteilt war, muss aufgrund fehlender Zusatzinformationen offenbleiben. Rätselhaft bleibt auch, dass besitztechnisch die Stadt von den beiden oberen und unterenBurgen wie auch von dem übrigen Tal getrennt war.Aber eine andere Frage kann geklärt werden. Kehren wirzu den beiden oberen und unteren Schlössern desMittelalters zurück, die z.B. in der Belehnung von 1475als„die Schloß zu Berneck, das Ober und das Unter“beschrieben sind. Leichtfertig könnte man in diesenbeiden Schlössern das heutige obere Schloss(direkthinter der Schildmauer) und das untere Schloss leichtsüdlich auf der Hangkante zum Bernecker See vermuten,doch ist das„moderne“ untere Schloss ein Neubau ausdem Jahre 1768. Daraus ergibt sich die bohrende Frage,wo sich das mittelalterliche untere Schloss einst befunden haben mag.Hat die zumindest im 19. Jahrhundert noch verbriefteSage Recht, wenn sie an der Stelle der heutigen Kircheeinst eine Burg annahm, zumal 1897 Eduard Paulus inseiner Beschreibung der Altertumsdenkmäler im Königreich Württemberg verteidigungsbedingte„Vorwerke ander südöstlichen Spitze nächst der Kirche“ festzustellenvermeinte?11Wie ein jüngst gefundenes Dokument desfrühen 19. Jahrhunderts zeigt, stimmen hier tatsächlichSage und Realität völlig überein. Das untere Schlossstand nach einer Beschreibung Bernecks von 1826„aufder äußersten Spitze des Bergrückens zwischen demKöllbach und Bruderthal, zunächst[= nächst] derKirche“.12Nach dieser neuen Erkenntnis war also diemittelalterliche Stadt Berneck oben wie auch untenjeweils von einer Burg eingerahmt und dadurch bestensgeschützt. Außerdem können wir aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Kirche annehmen, dass sich die Stadtkirche aus einer Burgkirche entwickelt haben könnte.Es ist hier noch eine Korrektur zur StadtgeschichteBernecks anzubringen. In nahezu allen Veröffentlichungen steht zu lesen, dass die Herren von Gültlingen1395 zum alleinigen Besitzer über Berneck gewordensind.13Doch müssen wir nach den hier dargelegtenErkenntnissen von 1365/67 mit solch einer Annahmesehr vorsichtig sein. Sicher ist, dass 1395 die BrüderHeinrich, Burkhard und Gumpold mit der oberen undunteren Burg Berneck sowie mit dem Tal und weiterenZubehör belehnt wurden – die Stadt Berneck wird jedochnicht genannt, war daher nicht Teil dieses Rechtsaktes.Wir wissen also nicht, ob der Besitz über die Stadt 1395wie 1365 noch hälftig geteilt war, zum Beispiel zwischenHug von Berneck, vermutlicher Sohn des Hugs von 1365,und einem Gültlinger oder ob die Stadt bereits an dieGültlinger übergegangen war. Auf jeden Fall taucht dieStadt weder in den Belehnungen von 1395 noch in denweiteren Dokumenten von 1411, 1423, 1438, 1445,1452, 1472 auf. Es erscheint wahrscheinlich, dass dieStadt im Laufe des 15. Jahrhunderts Teil des Lehensgeworden ist, ausdrücklich genannt wird sie jedoch erstwieder ab 1473.14Ob die Herren von Gültlingen tatsächlich bereits 1395 Besitzer von ganz Berneck waren,können wir nicht abklären; diese Frage muss daher offenbleiben.Ein ganz neuer Aspekt zur Bernecker Stadtgeschichtemit großer Bedeutung für das gesamte obere Nagoldtalkonnte erst jüngst entdeckt werden, nachdem das Archivder Freiherren von Gültlingen in Berneck mittels Mikroverfilmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wordenist. Als einer der größten Schätze dieses Archivs sindsicherlich die acht kaiserlichen Lehenbriefe anzusehen,die mit einer Urkunde des Kaisers Ferdinand I. von 1559beginnen.15In diesen Urkunden wurde dem jeweiligenHerrscher über Berneck die Hochgerichtsbarkeit, auchBlutgerichtsbarkeit genannt, für das Schloss und dieStadt Berneck sowie für die zugehörigen„Zwingen undBännen“ erteilt. Noch ältere Urkunden waren, wie die fürBalthasar von Gültlingen erstellte Urkunde von 1559bemerkt, durch eine Feuerbrunst(„prunnst“) verbrannt:„aller hanndt brieflichen urkhunden unnd dergleichenprivilegien mer verprunnen“. Außerdem war das Hochgericht selbst, also der Galgen, im Jahre 1559„vonwegen lässigkeit auch nicht aufrichtung“ nicht mehr imbesten Zustand, vielleicht sogar von Zerfall bedroht(„inetwa abgang khomen“).12