Das Stadtgericht kam für den Streitfall nicht in Frage, weil die Stadt als Klägerin insgesamt, also nicht nur einzelne Richter, als befangen gelten musste. Von einem eigenen Burggericht der Burg Zum Turn, wo der Beklagte saß, ist nichts bekannt, und es wrire ggf. genau so befangen gewesen. In einem solchen Fall geht ein Prozess auch heute noch an ein anderes, gleichwertiges Gericht. Dafür sorgen die Parteien schon im eigenen Interesse, und außerdem war und ist es eine derAufgaben des übergeordneten Gerichts­herrn, die richtige Zuständigkeit und Unbefangenheit zu gewährleisten. Wir kennen die Gerichtsform auch heute noch als Schöffengericht. Bemerkenswert ­wenn auch wohl kein grundsätzliches Problem ­ist, dass keine adligen Richter einberufen wurden, sondem freie Stadtbürger, obwohl die eine Streitpartei ein Adliger war. Die Richter mussten der Unbefangenheit halber aus den Nachbarstädten Nagold, Wildberg und Berneck ge­wählt werden. Solche Bürger kamen als Richter nur in Frage, wenn sie persönlich frei (nicht leibeigen) und ehrenhaft waren, wahrscheinlich Stadtbürger sein mussten und dort zur Führungsschicht gehörten, ansonsten sicher auch nicht zum ersten Mal als Rich­ter fungierten. Und der Vorsitz oblag dem Schult­heißen von Nagold (in diesem Fall ein wirklich auf­schlussreicher Titel), nicht dem ­vorhandenen ­württembergischen Vogt des Amtes Nagold (auch dies eine altertümliche Rechtstradition). Aus bis jelztnicht zu klärendem Grund wurde 1386 der Prozess von Nagold aus organisiert. Der fragliche Gerichtsplatz, südlich der Nagold gelegen, gehörte demnach zur Grafschaft Hohenberg-Nagold, nicht zur Grafschaft Hohenberg-Altensteig. Gerichtsherr war in Nagold seit rund zwer Jahrzehnten der Graf von Württemberg, Graf Eberhard II. (er regierte von 1344 bis 1392, genannt Greiner, Zänker, Rausche­bart). Er hatte die Grafschaft Hohenberg-Nagold 1363 von Graf Otto von Hohenberg-Nagold gekauft. Es handelte sich demnach um ein Grafengericht unter offenem Himmel ­und damit um ein Gericht im Auf­trag des Königs. Gerichtsplätze tnd Gerichtstermine waren schon seit der Zeit vor Karl dem Großen sehr stark an Ort tndZeit gebunden. Formverstöße dagegen durch den Gerichtsherrn waren damals (wie heute) für die Rechtskraft eines Urteils schädlich. Grafen als Königsbeamte, die dabei handwerkliche Fehler be­gangen hätten ­undenkbar. Vom Sitzungstermin einmal ganz abgesehen, ist es vor allem der Gerichtstagungsplatz, der für die Stadtge­schichte Altensteigs interessant erscheint. Das Gericht tagte am Fuß der BtlrgZum Turn außerhalb der städ­tischen Rechtsgrenzen. Denn, was heute keinem Ein­wohner mehr einleuchten wird, das Gebiet südlich der Nagold gehörte 1386 nicht zu Altensteig, erst ab dem 3. badischen Kaufvon 1399. Im Jahre 1386 endete das Altensteiger Gebiet an der Zehntgrenze mitten in der Nagold. (Nebenbei bemerkt, diese Zehntgrenze galt noch bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts.) Mit dem "Turn", dem Sitz des Herrn von Neipperg als der einen Partei, ist nicht das Alte Schloß Altensteig nördlich der Nagold gemeint (dort saß der Kontrahent Graf Rudolf von Hohenberg), sondern eine bedeutende Burg auf dem heute sog. Schlossberg südlich der Nagold, deren Grundmauern noch vorhanden sind und deren Kennzeichen ein sehr mächtiger Turm (= Turn) gewesen sein muss, der namengebend wirkte. Diese Burg hat in allen schriftlichen Uberlieferungen nie anders geheißen als "Burg zum Turn" (zur Orls­bestimmung allenfalls "bei" Altensteig). Sie gehörte nicht zu Altensteig, nicht einmaT zur Grafschaft Hohenberg-Altensteig. Der zugehörige, kleine Burg­weiler knapp über der Hochwassergrenze am Tal­boden hieß Talheim. Der Ortsname wird vor allem durch die mundartliche Lokalbezeichnung "Tälemer" für die Bewohner eines bestimmten Bezirks, über den sich alle Altensteiger Einwohner klar sind, im Gedächtnis behalten, vor allem beim berühmten weihnachtlichen Fackeln, dem wohl vorchristlichen Winter-Sonnwendfeuer. An­sonsten ist er zu einer sog. Namens-Wüstung gewor­den, fast vergessen, obwohl die Häuser vorhanden sind, es sich also nicht um eine Real-Wüstung handelt. Der Gerichtsplatz zl Füßen der Burg ZttmTurr.lag neben Talheim (beiAltensteig). Er muss eine sehr alte Tradition gehabt haben und liegt bzw. lag am heu­tigen Stadtgafien an der B 28: . >>I]nter dem Turn<<, d.h. sicher nicht am (kurzen) Steilhang des Schloßbergs, sondern an der Hang­kante in der Ebene des Talbodens, aber noch ober­halb der üblichen Hochwasser grenze. . Am Beginn der "Turner" (=Turm-)Steige, des Auf­stiegs der alten Fernstraße aus dem Nagoldtal auf die Hochfläche in Richtung Pfalzgrafenweiler ­Dornstetten, die Vorläufertrasse der späteren Reichs­. straße Straßburg ­Ulm über den Kniebis, heute B 28. Flurname "L]nter den Eichen". Eine passende, möglichst uralte Linde ­sie ist wohl zwischen 1885 und 1898 gefällt worden ­kann man sich neben den heutigen Bäumen des Stadtgartens gut vorstellen. Das Gewann hieß seit jeher "Unter den Eichen" (schon 1836 im Primzirkataster, 1834 im Oberamtsblatt), also stand im. Anschluß an die Gerichtslinde ein Eichenhain, der 1845 als "Fest­platzvor der Stadt", 1849 als "Tumplatz" bezeich­net wird. Man lagerte dorl auch Holz, und weil der 56