In der Ufteils-Urkunde, dem sog. Fischbrief, heißt es: ''UND [WtR] SAßEN ZU GERICHT UNTER DER LINDE UNTER DEM TURN BEI DEM BRUNNEN". Eine passende, aufschlussreiche Inschrift für den Gerichtsbrunnen eines Platzes von 1744. auf dem schon 1386, mehr als 350 Jahre zuvor, ein Gericht getagt hatte! Dies war ein 7er-Schöffengericht, besetzt mit 6 Bür­gern aus Berneck, Wildberg und Nagold unter dem Vorsitz des Schultheißen von Nagold, am Dienstag, 10. Juli 1386. unter freiem Himmel. unter einer Ge­richtslinde, unterhalb der Burg "Zum Turn" und da­mit an einer Fernverkehrsstraße (die aber bis jetzt nicht etwa als freie Reichsstraße bekannt ist) und am lebenden Wasser eines Brunnens, des obligaten Ge­richtsbrunnens. Der 1990 an die Stadtkirche versetzte Brunnentrog ist damit ein einzigartiges Rechtsdenkmal, vergleichbar dem bekannten Königsstuhl auf dem Hofgericht (s-Platz) in Rottweil (dort war die letzte Gerichts­sitzung 1784!) oder den berühmten Pfeilern für die Aste der Linde am Gerichtsplatz in Neuenstadt "an der Linde" (am Kocher). Es handelte sich 1386 um eine Freiluft-Gerichtsver­handlung, deren Form damals wohl schon altertüm­lich war. die aber hier aus unbekanntem Grund in die­ser altehrwürdigen Form abgehalten wurde. Der Ort, an dem ein solches Gericht tagte, konnte nicht. rvie heute, beliebig gewählt werden, sondern war durch Alter und Tradition seit Jahrhunderten nach altem deutschen ­nicht nach römischem ­Recht festgelegt, vielleicht schon durch Karl den Großen seit dessen Grafschafts-Verwaltungsreform: . unter freiem Himmel, . auf des Reiches freier Straße, . unter einer (Gerichts-)Linde, . an fließender Quelle oder an einern Brunnen (siehe: "Ich wasche meine Hände in Unschuld".wie Pilatus). Ab b. 2 : G e richt s brtntne n m it Tar t s che ns c h i Ld. I n it iaL en und Datum. Aufn. Fritz. Kalrnbach, 16.01 .2006 Alle 4 Punkte treff'en für einen bestimmten P\atz zl, der erst seit 1399 zu Altensteig gehört (zuvorjedoch nicht), nämlich für den ursprünglichen Standort des Kirchplatz-Brunnentrogs vor 1 990 im Stadtgarten. Ein Rechtsdenkmal Der Zylinder des Brunnentrogs auf dem Kirchplatz zeigt, in sauberer Steinmetzarbeit eingetieft, den Um­riss eines Tartschenschilds. wie er in der Zeit des Ro­koko in der Mitte des 18. Jh. geläufig war. Im Schild gibt es kein Wappenbild, sondern drei lateinische Groß­buchstaben "I D C" und dazu die Jahreszahl 1144. Von mir um Auskunft und Hilfe gebeten, ist die Auf­lösung und Deutung der lateinischen Initialen dem Tübinger Rechtshistoriker Prof. em. Dr. jur. Hermann Lange gelungen2: die 3 Buchstaben I D C lassen sich in Volltext auflösen als IURIS DICENTI CAUSA ­das heißt: um der Rechtsprechung willen. Dieses Kürzel und seine Auflösung fand Prof. Lange in dem Standard-Nachschlagewerk von Adriano Cap­pelli, Lexicon Abbre viaturarum, 2. Aufl. 1928, S. 112. Die Gerichtsurkunde von 1386 und der Gerichtsplatz Der sog. »Vischbrieff Gemeiner Burgerschafft zu Altensteig 1386« wurde im Jahre 1985 als Faksimile­druck mit einer buchstabengetreuen und einer moder­nen Ubertragung herausgegeben. Die Bearbeitung irn Jahre l9B7 in der damals erschienenen Stadtchronik ("Heimatbuch" ,5.26-2'7, S. 302-304) bezeichnet das Dokument dabei als die älteste Pergamenturkunde im Stadtarchiv Altensteig. Vor allem unter diesem anti­quari schen Gesichtspunkt sowie . wegen der Streitsache, . wegen der sich dabei ergebenden Besitz- und Herr­. schaftsverhältnisse und wegen der beteiligten Personen ist die Urkunde damals beachtet. sonst aber nicht wis­senschaftlich bearbeitet worden. auch nicht vorher oder später an anderem Ort. Keine Beachtung fanden daher bis jetzt, obwohl naheliegend und von allge­meiner Bedeutung, zwei Gesichtspunkte: I . Was war das für ein Gerichtshof ­der offenkundig nicht das Stadtgericht von Altensteig war? 2. Wo genau hat sich denn dieser Gerichtsplatz befunden? 55