freut sich nicht immer allgemeiner Liebe, wohl aber allgemeiner Achtung. Das sind unsere Wünsche an unsere Leser, und darauf rufen wir ihnen zu, dies Jahr wie alle Jahre:
Gesegnetes Weihnachtsfest:
Tages-Neuigkeite«.
Deutsches Reick.
77 Nagold, 21 . Dez. In der letzten Zeit füllte die Frage über die in Aussicht genommene G c- treidezollerhöhung lange Spalten in den Ta- gcsblättern, ohne daß man aus dem Streite der Meinungen ein klares Urteil und einen festen Standpunkt gewinnen konnte. Es war daher sehr dankenswert, daß ein Fachmann in der Landwirtschaft, Herr Gutspächter Bräunin ger vom Sindlinger Hof, sich der Aufgabe unterzog, unfern zweiten Bürger- abend durch einen Vortrag über das genannte Thema auszufüllen. Redner charakterisiert zuerst die zwei in der Zollfrage einander durchaus gegensätzlich ge- genübersrchenden Parteien: Die Frei Handel s- (Manchester-) Partei und die Schutzzöllner. Jene wollen keinerlei staatliche Fürsorge und Einmischung in Handelsverhältnisse sondern ungehemmten Jnteressenkampf, mag auch der Schwache dabei zugrunde gehen; ihre Theorie wäre am Platz, wenn alle Völker eine große Familie bildeten und es keine Kriege mehr gäbe ; ehe dies der Fall ist, würde ihre Lehre, wofern sie praktisch würde, Deutschland, das von meist unter günstigeren Verhältnissen produzierenden Nachbarn (vergl. England mit seinem Eisen- nnd Kohlenreichtum) umgeben ist, wirtschaftlich zugrunderichten. Ein Versuch mit dieser Richtung im Anfang der 7Oger Jahre brachte auch wirklich unsere Landwirtschaft in eine solche Notlage, daß die Schutzzöllner, welche alles Heil für Industrie und Landwirtschaft von starken Einfuhrzöllen erwarten, oben aufkamen und 1879 bescheidene, 1885 stärkere Zölle durchsetzten, und jetzt sehr hohe Zölle (6 ^ auf Weizen und Roggen, 3 ^ auf Hafer und Gerste) verlangen. Die früheren Zölle, die teils vom Ausland teils von den Zwischenhändlern getragen wurden, konnten allerdings einen weiteren Rückgang der Getreideprcise verhindern; aber der Notlage der Landwirtschaft, die hauptsächlich von den hohen nicht rentierenden Güterpreisen (von den 50ger Jahren an und später) herrührt und in einer allgemeinen Ueberschul- dung des Bauernstandes besteht, können sie nicht abhelfen; eine Besserung kann erst eiutreten, wenn die Güterpreise auf den wahren Wert zurückgegangen d. h. um etwa st» gesunken sein werden. Zur Ueber- windung der dadurch notwendig entstehenden Krise wird Vereinsbildung zur gemeinschaftlichen Beschaffung von Maschinen, Saatkorn u. s. s. (von späteren Rednern auch Staats- und private Hilfe) empfohlen; auch ein mäßiger, dem einheimischen Arbeiter das Brot nicht verteuernder Schutzzoll mag dazu helfen und kann demnach empfohlen werden, so lange man ihn braucht. Redner hält also zu keiner der beiden extremen Parteien und ist der Ansicht, daß die Wahrheit in der Mitte liege. Nachdem dem geehrten Gast der lebhafte Dank der Versammlung für seinen klaren, lichtvollen Vortrag gezollt war, erhob sich noch eine lebhafte Debatte, in welcher Oekonom G. Walz behauptete, daß der Landwirtschaft überhaupt nicht geholfen werden könne, so lange der seitherige Betrieb (Dreifelderwirtschaft, Kunstdünger) radikal geändert und seine Methode (Warmerhaltung des Bodens durch Kleineggen, Düngung aus der Luft, längere Jahre für den Fruchtwechsel) angenommen sei, in welcher Beziehung er aus seine neu erschienene Ackerbaulehre verwies. Mehr Beifall als diese Ausführungen fand eine kurze Bemerkung von Rektor Dr. Brügel, welcher den an der Spitze Deutschlands stehenden Männern zutraut, daß sie nicht blos ein Herz für die Not der Landwirtschaft haben sondern auch Mittel und Wege finden werden, um ihr, so weit es in menschlicher Macht steht, abzuhelfen. Ein Hoch auf diese Männer wurde begeistert ausgenommen. Auch die warm empfundenen Worte von Professor Wetzel, der für den sehr achtungswerten Bauernstand , als die Wurzel des Volkslebens und die Stütze des Staats, liebevoll eintrat, fanden lebhaften Anklang.
** Nagold, 22. Dez. Wie alljährlich fand mich Heuer wieder und zwar am gestrigen Feiertage die Ausstellung der Weihnachtsarbeiten unserer gut geleiteten Arbeitsschule statt. Dieselbe erfreute sich eines zahlreichen Besuchs hiesiger Frauen
und Jungfrauen, insbesondere kamen viele Mütter herbei, um die Leistungen ihrer Töchter einer vergleichenden Beurteilung zu unterwerfen. Die ausgestellten Arbeiten waren sehr zahlreich, was sich bei einer Zahl von etwa 300 Schülerinnen wohl erwarten läßt. Man verwunderte sich aber nicht nur über die große Zahl der einzelnen Arbeiten, sondern auch über die wohlgelungene Ausführung derselben von den einfach- ^ sten und gewöhnlichsten (Strümpfen) bis zu den schwierigsten Arbeiten. Bon Kleidungsstücken sah man in bunter Auswahl Hauben und Kappen, Kopf- und Halstücher, Hosenträger, genähte Schuhe und gestrickte Handschuhe, gestrickte und gekettelte größere lind kleinere Röcke. Sonstige Arbeiten — alle hübsch ausgeführt — waren auch reichlich vorhanden. Es gab zu sehen: Bürsten- und Uhrentaschen. Geldbeutel, Zeitungshalter und Briefmappen mit Stickereien, Waschschürze und Waschseile, Fenster- und Sophakissen, Schlummerrollen, Feldsessel u. dergl. Bon sämtlichen Arbeiten bekam man den Eindruck, daß unsre Mädchen vom 6.—14. Jahre etwas Tüchtiges lernen, daß sie eine Schule durchlaufen, in welcher Leistungen erzielt werden, über die man sich nur freuen kann. Bon dieser Weihnachtsausstellung im Zeichensaal gieng's der lieblichen Christbescherung in der Kleinkinderschule zu, welche von Dekan Schott und der Leh- ! rerin geleitet wurde. — Um 5 Uhr abends war sodann die Weihnachtsfeier der freiwilligen Sonntagsschule, an der gegen 300 hiesige Schulkinder, j teils Knaben, teils Mädchen, teilnahmen. Unter dem ! Geläute der Glocken zog die fröhliche Schuljugend i von den Schulhäusern aus in die beleuchtete und geheizte Kirche, wo ein liturgischer Gottesdienst stattfand,
; in dem Gemeinde- und Chorgesang (Seminarchor u.
! Kirchengesangverein) sowie verschiedene Gesänge der > Kinder mannigfaltig mit einander abwechselten. Eine größere Anzahl von Kindern, sowohl Knaben als ^ Mädchen, trugen teils einzeln, teils im Chor, pas- ! sende Gedichte und Bibelsprüche vor, worauf Helfer ! Finckh eine kurze Ansprache hielt. Eine große Zahl ! von Gemeindegenossen hatte sich zu der Feierlichkeit, bei welcher auch riesige Christbäume und ein Transparent nicht fehlten, eingefundeu. Am Schlüsse des ! Gottesdienstes wurden die Kinder mit Eßwaren, Bü- ; chern und Bildern beschenkt. — Heute abend von 8—10 Uhr hatte der hies. Jünglingsverein im ^ Zellersaal seine Bescherung. Äußer den 30—40 ! Mitgliedern desselben fanden sich auch manche Ehren- , Mitglieder dazu ein und freuten sich mit den jungen i Leuten über die fröhlichen Gesänge, die ernsten und ! heiteren Deklamationen und die durchs Los verteil- ^ ten Gaben.
Tübingen, 21. Dez. (Nachtrag znr Tagesordnung . der Schwurgerichtsverhandlungen des IV. Quartals 1887.): i 9) Strafsache gegen den Schuhmacher Ignaz Schach von Betzingen wegen Fälschung und Betrugs: 10) Strass, gegen den Dicnstknccht Gottfr. Aldinger von Schwann, wegen Verbrechens gegen die Sittlichkeit; 11) Strass, gegen den led. Holzhauer Joh. Heselschwcrdt von Sprollenhaus, Gde. Wildbad, wegen des gleichen Verbrechens; 12) Strass, gegen den früheren Bärenwirt Ludwig Wagner von Schwann, wegen Meineids.
Tübingen, 22 Dez. (Schwurgericht.) Der vormalige Schultheiß und Acciser Chr. Dittus von Ob erreiche nbach, wegen durch Rechnungsfälschung erschwerter Unterschlagung im Amte angeklagt, wurde zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt.
Vom Oberland, 20. Dez. Anläßlich des Papstjubiläums wird der Vorschlag gemacht, am Sylvesterabend allenthalben Bcrgfeucr anzuzünden.
Brandfälle: In Waiblingen am 21. ds. Mts. ein unweit der alten Bahnhofsstraße gelegenes Wohnhaus mit Scheune und Stallung; in Weitingen (Horb) am 20. ds. ein Wohnhaus und 2 Scheuern.
Vor einiger Zeit war die Nachricht verbreitet, das Jnbiläumsgeschenk des Königs Albert von Sachsen an den Papst, die kostbare ^Liblia, paupo- ruiu«, sei auf dem Wege nach Rom der im Einbanddeckel befindlichen Edelsteine beraubt worden. Die Mitteilung ist unbegründet, das Buch ist im Vatikan unversehrt und wohlverpackt angekommen.
Wie aus Mainz gemeldet wird, werden an den dortigen Festungswällen bedeutende Verstärkungen vorgenommen. Etwa 600 Arbeiter sind dabei beschäftigt.
Berlin, 20 . Dez. Der Botschafter in St. ! Petersburg, General v. Schweinitz, kehrt heute abend j auf seinen Posten zurück, wie es heißt, mit besonde- j ren Aufträgen des Kaisers an den Zaren und des j Fürsten Bismarck an das russische Kabinet. — Zum
Weihnachtsfeste wird die gesamte Familie des Reichskanzlers in Friedrichsruh sein.
Berlin, 21 . Dez. Ein entscheidender diplomatischer Schritt der Mächtegegen den Coburger in Sofia steht unmittelbar bevor und dürfte in Bulgarien selbst nur auf geringen Widerstand stoßen. Die weitere Entwicklung der bulgarischen Frage ist aber dunkel, da Rußland Zurückhaltung beobachtet. Infolge dessen ist trotz der Entfernung des Coburgers die Erhaltung des Friedens nichr gesichert.
Von allen Seiten geht es jetzt aus den Coburger los! In Wien und London bringen die Regierungsblätter heftige Artikel gegen ihn und führen aus, daß ein Krach über lang oder kurz bevorsteht. Die Köln. Ztg. drückt sich in einem ersichtlich inspirierten Artikel am schärfsten aus. Sie bemerkt, Fürst Ferdinand , der durch Jntriguen zum Thron gekommen sei, werde nur von Stambulow gehalten. Er habe der bulgarischen Unabhängigkeitspartei durch seinen Hochmut und seine Eitelkeit nur geschadet, zudem eine grenzenlose Doppelzüngigkeit bewiesen. Aber Allem sei die Krone aufgesetzt worden durch das Bestreben, Deutschland und Rußland in einen Krieg zu Hetzen." „Das coburgische Unternehmen wird daher seinem natürlichen Schicksal schwerlich entgehen, sondern sich als das erweisen, was es wirklich ist, nämlich als einen großartigen politischen Humbug, verbunden mit einer ganz leichtfertigen Gefährdung des europäischen Friedens." Das Stündchen des Coburgers scheint nun doch schlagen zu sollen.
Berlin, 22 . Dez. Der von San Remo zurückgekehrte Hofrat Dr. Telschow teilt dem „Berliner Tageblatt" mit, das Aussehen und Allgemeinbefinden des Kronprinzen sei ein außerordentlich günstiges und gebe durchaus nicht zur Besorgnis Anlaß. Die Stimme, die allerdings noch der Schonung bedürfe, habe erheblich an Kraft und Klangfülle zugenommen. Der Kronprinz selbst ersuchte Telschow dringend, nach seiner Rückkehr nach Berlin dafür zu sorgen, daß diese Nachricht über sein Wohlbefinden möglichst weite Verbreitung finde, damit dadurch allen anderen beunruhigenden Auslassungen entgegen- gctreten werde.
Man sagt, dem Kaiser Alexander wären die Mitteilungen des „Invaliden" amtlich unterbreitet. Das wäre also eine neue Fälschung. — Bon ver- tranenswerter Seite wird der Nat.-Ztg. mitgeteilt, daß die Instruktionen, welche der deutsche Botschafter von Schweinitz ans Friedrichsruhe nach Petersburg mitgenommen, durchaus friedlicher und versöhnlicher Natur sind; auch die von Fürst Bismarck nach Oesterreich gerichteten Ratschläge empfehlen eine militärische Stärkung unter Vermeidung jeder Provokation.
Die „Post" bringt einen scharfen Artikel gegen das halbamtliche „Petersburger „Journal," in welchem es heißt: „Wie lange ist Rußland im Stande, das Heer, welches es jetzt zusammenzieht, im Frieden auf dem Kriegsfuße zu erhalten? Wenn wir die Zinsenlast der russischen Staatsschuld betrachten, von der, ach, ein so großer Teil in den Händen deutscher Besitzer ist, so müssen wir uns überzeugen, daß die Last einer solchen Rüstung von Rußland nicht lange getragen werden kann, daß vielmehr der Kriegsstand in nicht langer Zeit zum Kriegszustand führen muß. Wir wollen aber hoffen, daß mit dem Uebergang zum wirklichen Kriegszustand ihres Heeres die russische Politik nichts Anderes bezweckt, als, nachdem die übrigen Staaten zu demselben Schritt genötigt worden sind, die Unerträglichkeiten dieses Zustandes zum allgemeinen Bewußtsein zu bringen und aus diesem Bewußtsein die bereitwillige Anerkennung des gegenwärtigen Besitzstandes und die allgemeine Abrüstung hervorgehen zu lassen.
Nachrichten über das Befinden des Reichskanzlers lauten durchaus befriedigend. Der Fürst ist von dem letzten Unwohlsein völlig hergestellt und beabsichtigt, mit dem Anfang des nächsten Jahres seine Thätigkeit in vollem Umfange wieder aufzunehmen.
Posen, 20. Dez. Vergangene Woche ist der Wagen des Erzbischofs Dinder im Stadtteil Schrodka Hierselbst vom Pöbel mit Steinwürfen angegriffen worden, weil er in der Sprachenfrage sich nicht auf die Seite der Polen gestellt hat.
Oesterrcick-Unginn.
Wien, 20. Dez. An die Saatsanwaltschaften ist ein Befehl ergangen, Blätter, welche Mitteilungen über militärische Vorsichtsmaßnahmen, ferner Besprechungen über Kriegsvorbereitungen. Mobilisierungen, Eisenbahn- und Aufmarschverhältnisse veröffentlichen,